Fall Rottmann: Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung trotz Verlust der Unionsbürgerschaft

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Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit Urteil vom 11.11.2010 - 5 C 12.10 - die Klage eines gebürtigen Österreichers gegen die rückwirkende Rücknahme seiner Anfang 1999 erfolgten Einbürgerung
 als Deutscher endgültig abgewiesen.

Die Einbürgerung wurde vom beklagten Freistaat Bayern im Juli 2000 zurückgenommen, weil der Kläger im Einbürgerungsverfahren ein strafrechtliches Ermittlungsverfahrengegen ihn in Österreich arglistig verschwiegen hatte. Der Verwaltungsgerichtshof München hat im Berufungsverfahren zudem festgestellt, dass der Kläger noch ein weiteres gegen ihn seinerzeit in Deutschland geführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren nicht angegeben hatte.

Mit der Rücknahme der Einbürgerungdrohte dem Kläger nicht nur der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, sondern auch der Verlust der daran anknüpfenden Unionsbürgerschaft. Deswegen hat das Bundesverwaltungsgericht im Februar 2008 dem Gerichtshof der Europäischen Union insbesondere die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, wenn die nach deutschem Recht an sich rechtmäßige Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung dazu führt, dass der Betroffene staatenlos wird, falls die ursprüngliche österreichische Staatsbürgerschaft nicht wieder auflebt (vgl. Presseerklärung Nr. 7/2008 vom 18. Februar 2008).

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat Anfang März 2010 entschieden, dass die Entziehung der durch Täuschung erschlichenen deutschen Staatsangehörigkeit nicht gegen Unionsrecht verstößt, vorausgesetzt, dass die Rücknahmeentscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (Rechtssache C-135/08 - "Rottmann" -). Das Bundesverwaltungsgericht hat nun unter Beachtung dieser unionsrechtlichen Vorgaben den Fall abschließend geprüft. Es hat entschieden, dass die Rücknahme der vom Kläger erschlichenen Einbürgerung bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände auch im Lichte des Europarechts verhältnismäßig ist. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist es nach den Gegebenheiten des Einzelfalles und der Verfahrenslage hier auch nicht erforderlich, dem Kläger noch eine Frist zur Wiedererlangung derösterreichischen Staatsbürgerschaft einzuräumen. Das Revisionsverfahren ist daher auch nicht auszusetzen, bis die österreichische Staatsbürgerschaftsbehörde über ein Mitte 2010 gestelltes entsprechendes Begehren entscheidet.

BVerwG 5 C 12.10 - Urteil vom 11. November 2010

Vorinstanzen:
VG München, VG M 25 K 00.3348 - Urteil vom 12.02.2001 -
VGH München, VGH 5 B 03.2462 - Urteil vom 25.10.2005 -

Quelle: Pressemitteilung des BVerwG Nr. 100/2010 vom 11. November 2010

Siehe auch:

News zum Fall Rottmann

icon Urteill EuGH: Rottmann C-135/08 ( 2010-03-02 19:28:29)

 

Die Einbürgerung wurde vom beklagten Freistaat Bayern im Juli 2000 zurückgenommen,
weil der Kläger im Einbürgerungsverfahren ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren
gegen ihn in Österreich arglistig verschwiegen hatte. Der Verwaltungsgerichtshof
München hat im Berufungsverfahren zudem festgestellt, dass der
Kläger noch ein weiteres gegen ihn seinerzeit in Deutschland geführtes strafrechtliches
Ermittlungsverfahren nicht angegeben hatte. Mit der Rücknahme der Einbürgerung
drohte dem Kläger nicht nur der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit,
sondern auch der Verlust der daran anknüpfenden Unionsbürgerschaft.
Deswegen hat das Bundesverwaltungsgericht im Februar 2008 dem Gerichtshof der
Europäischen Union insbesondere die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es
mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, wenn die nach deutschem Recht an sich
rechtmäßige Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung dazu führt, dass der Betroffene
staatenlos wird, falls die ursprüngliche österreichische Staatsbürgerschaft
nicht wieder auflebt (vgl. Presseerklärung Nr. 7/2008 vom 18. Februar 2008).
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat Anfang März 2010 entschieden, dass
die Entziehung der durch Täuschung erschlichenen deutschen Staatsangehörigkeit
nicht gegen Unionsrecht verstößt, vorausgesetzt, dass die Rücknahmeentscheidung
den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (Rechtssache C-135/08).
Das Bundesverwaltungsgericht hat nun unter Beachtung dieser unionsrechtlichen
Vorgaben den Fall abschließend geprüft. Es hat entschieden, dass die Rücknahme
der vom Kläger erschlichenen Einbürgerung bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände
auch im Lichte des Europarechts verhältnismäßig ist. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit
ist es nach den Gegebenheiten des Einzelfalles und der Verfahrens-
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lage hier auch nicht erforderlich, dem Kläger noch eine Frist zur Wiedererlangung der
österreichischen Staatsbürgerschaft einzuräumen. Das Revisionsverfahren ist daher
auch nicht auszusetzen, bis die österreichische Staatsbürgerschaftsbehörde über ein
Mitte 2010 gestelltes entsprechendes Begehren entscheidet.
BVerwG 5 C 12.10 - Urteil vom 11. November 2010
Vorinstanzen:
VG München, VG M 25 K 00.3348 - Urteil vom 12.02.2001 -
VGH München, VGH 5 B 03.2462 - Urteil vom 25.10.2005 -