In der Praxis kommen vermehrt Fälle vor, in denen die erworbenen Rentenanwartschaften nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt bei Eintritt in das Rentenalter zu sichern. Die Verfestigung des Auenthaltsrechts durch Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist auch bei fehlender Lebensunterhaltssicherung möglich, wenn der Ausnahmetatbestand des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG wegen Krankheit oder Behinderung erfüllt wird. Dieser greift, wie das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 16.06.2016 in einer die bisherige Rechtsprechung zusammenfassenden Entscheidung dargelegt hat, aber nur in Fällen, in denen der Ausländer bereits vor dem Renteneintritt nicht in der Lage war, wegen Krankheit oder Behinderung eine ausreichende Rentenanwartschaft zu erlangen. Die Vorschrift dient aber nicht dazu, bei Personen im Rentenalter, deren Aufenthaltszeit im Bundesgebiet für den Erwerb ausreichender Rentenansprüche zu kurz war oder die in dieser Zeit aus anderen Gründen solche nicht im ausreichenden Maße erworben haben, vom Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhaltes abzusehen.
Durch diese Ausnahmeregelung § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG wollte der Gesetzgeber den durch Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gebotenen besonderen Schutz von kranken und behinderten Menschen Rechnung tragen und diese nicht von einer ansonsten möglichen weiteren Aufenthaltsverfestigung durch Versagung einer Niederlassungserlaubnis wegen Fehlens dieser besonderen Integrationsvoraussetzung ausschließen. Aus dieser Ausnahmeregelung folgt jedoch nicht, dass jeder aufgrund einer Krankheit oder Behinderung eingeschränkt Erwerbsfähige ohne weiteres die genannte Privilegierung für sich in Anspruch nehmen kann. Bereits nach dem Wortlaut nicht erfasst sind Fälle, in denen der Ausländer (nur) aufgrund im normalen Lebensverlauf auftretender Alterserscheinungen oder Einschränkungen der Leistungsfähigkeit durch alterstypische Erkrankungen an der Erfüllung der Voraussetzungen der Lebensunterhaltssicherung gehindert ist. Insbesondere dient die Vorschrift nicht dazu, bei Personen im Rentenalter, deren Aufenthaltszeit im Bundesgebiet für den Erwerb ausreichender Rentenansprüche zu kurz war oder die in dieser Zeit aus anderen Gründen solche nicht im ausreichenden Maße erworben haben, vom Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhaltes abzusehen. Denn dies würde dem grundlegenden Ziel des Erfordernisses der Lebensunterhaltssicherung, die Zuwanderung in die sozialen Systeme der Bundesrepublik zu verhindern, zuwiderlaufen.
Erforderlich zum Nachweis der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG ist eine fachärztliche Aussage darüber, ob und in welchem Umfang der die Niederlassungserlaubnis begehrende Ausländer noch arbeitsfähig ist und eine Vergleichsberechnung des theoretisch durch Erwerbstätigkeit zu erzielenden Einkommens und der dem Ausländer zustehenden öffentlichen Leistungen. Es bedarf hier einer konkreten Betrachtung dahingehend, inwieweit der Ausländer aufgrund der der Behinderung zugrundeliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei einer ihm theoretisch möglichen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt - gemessen an sozialgesetzlichen Maßstäben - verdienen könnte.
Da bei Personen im Rentenalter die Generierung von Einkommen durch eigene Erwerbstätigkeit nicht mehr im Vordergrund steht, sondern vielmehr der Lebensunterhalt grundsätzlich durch während des vorangegangenen Erwerbslebens generierte Rentenansprüche gesichert wird, ist zudem erforderlich, dass dargelegt wird, dass auch der Erwerb entsprechender Anwartschaften (in der Vergangenheit) bereits wegen einer unter die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG fallenden Krankheit oder Behinderung nicht möglich war. Diese rückschauende Berücksichtigung des bisherigen Erwerbslebens ist angesichts der oben genannten Zielsetzung des Erfordernisses der Lebensunterhaltssicherung, die Zuwanderung in die Sozialsysteme zu verhindern, bei Personen im Rentenalter erforderlich, die schon wegen ihres Alters nicht mehr erwerbsfähig sind. Dadurch wird dieser Zielsetzung grundsätzlich entsprochen und zugleich, Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG entsprechend, gewährleistet, dass auch ältere, im Sinne der Ausnahmeregelung behinderte oder kranke Personen, die wegen ihrer Behinderung oder Krankheit selbst bei einem langjährigen Aufenthalt nicht in der Lage gewesen wären, zur (vollständigen) Sicherung des Lebensunterhalts ausreichende Rentenansprüche zu erwerben, nicht von der Möglichkeit einer Aufenthaltsverfestigung ausgeschlossen werden. Letztlich liegt dem zugrunde, dass bei Personen im Rentenalter die Sicherung des Lebensunterhaltes üblicherweise über die Rente erfolgt, so dass die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG erfordert, dass die Rentenansprüche wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht ausreichen, was wiederum voraussetzt, dass diese aus den genannten Gründen nicht entsprechend erworben werden konnten.
Einzelheiten unter der Kommentierung zu § 9 AufenthG