Hessischer Verwaltungsgerichtshof konkretisiert den Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG

Anzeige Werbung Kanzleien Anzeige

Der 3. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat über den Umfang des Beschwerdeausschlusses nach § 80 AsylG in seiner seit dem 27. Februar 2024 gültigen Fassung entschieden. Der 3. Senat ändert zwar seine bisherige Rechtsprechung, hält aber an dem Ergebnis fest, dass sämtliche Entscheidungen der Verwaltungsgerichte auf einstweilige Aussetzung der Abschiebung (§ 60a AufenthG) dem Beschwerdeausschluss unterliegen, sofern die Abschiebung an eine asylrechtliche Vollstreckungsgrundlage nach den §§ 34 oder 34a AsylG anknüpft. Dabei setzt sich der Senat ausführlich mit der Entscheidung des 10. Senats des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs sowie der Entscheidung des 12. Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auseinander.

Der 3. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat Folgendes ausgeführt:

Die nach § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO fristgemäß eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 16. August 2024 - 6 L 1062/24.DA - bleibt ohne Erfolg. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO), da sie entgegen der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung nach § 80 AsylG in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung vom 21. Februar 2024 (Rückführungsverbesserungsgesetz - BGBl. I Nr. 54) ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift können Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz und über Maßnahmen zum Vollzug der Abschiebungsandrohung (§ 34) oder der Abschiebungsanordnung (§ 34a) nach dem Aufenthaltsgesetz vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Der Antragsteller, ein ghanaischer Staatsangehöriger, begehrt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig von Abschiebemaßnahmen gegen ihn abzusehen. Grundlage der Abschiebung ist der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. Januar 2023, mit dem der Asylantrag des Antragstellers als offensichtlich unbegründet abgelehnt und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Ghana angedroht wurde. Das gegen diese Entscheidung eingeleitete Eilverfahren blieb ohne Erfolg (VG Gießen, Beschluss vom 23. Februar 2024 - 1 L 288/24.GI.A -). Infolge seiner am 17. Oktober 2023 mit einer deutschen Staatsbürgerin geschlossenen Ehe beantragte der Antragsteller am 30. Oktober 2023 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung, die der Antragsgegner mit Bescheid vom 19. April 2024 ablehnte. Der Antragsteller hat hiergegen Klage erhoben und einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, den das Verwaltungsgericht Darmstadt mit dem angegriffenen Beschluss vom 16. August 2024 abgelehnt hat. Am 10. September 2024 ist der Antragsteller auf Grundlage einer einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts Darmstadt in polizeilichen Gewahrsam genommen worden. Seine Beschwerde hat er - trotz gerichtlichen Hinweises vom 11. September 2024 - nicht innerhalb der noch laufenden Beschwerdebegründungsfrist begründet.

Die Voraussetzungen des Beschwerdeausschlusses gemäß § 80 AsylG liegen vor. Denn die Beschwerde ist nicht mehr nur bei Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz (erste Alternative), sondern auch bei Entscheidungen „über ausländerrechtliche Maßnahmen zum Vollzug einer asylrechtlichen Abschiebungsandrohung (§ 34) oder Abschiebungsanordnung (§ 34a) nach dem Aufenthaltsgesetz“ ausgeschlossen (zweite Alternative). Indem der Gesetzgeber die neue Alternative des Beschwerdeausschlusses mit der Konjunktion „und“ in den Nordtext einführte, hat er klargestellt, dass es sich nicht nur um eine Konkretisierung der bisherigen Fallgruppe, sondern um eine eigenständige Alternative des Beschwerdeausschlusses handelt. Der Beschwerdeausschluss des § 80 AsylG erfasst folglich auch die Aussetzung der Abschiebung aus Gründen, die materiell-rechtlich nicht im Asylgesetz, sondern im Aufenthaltsgesetz geregelt sind.

Die zweite Alternative des § 80 AsylG ist vorliegend einschlägig. Denn die begehrte vorläufige Unterlassung des Vollzugs der Abschiebungsandrohung, die ihre Grundlage in § 34 AsylG i. V. m. § 36 Abs. 1 AsylG findet, ist eine Entscheidung über eine ausländerrechtliche Maßnahme zum Vollzug einer asylrechtlichen Abschiebungsandrohung (ebenso VGH Mannheim, Beschluss vom 5. Juli 2024 - 12 S 821/24 -, juris Rn. 10 ff.; Beschluss vom 11. April 2024 - 11 S 552/24 -, juris Rn. 3; VGH München, Beschluss vom 30. April 2024 - 19 CE 24.661-, juris Rn. 4 f.; OVG Hamburg, Beschluss vom 23. Juli 2024 - 6 Bs 36/24 -, juris Rn. 9).

Soweit der 10. Senat des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs die Auffassung vertritt, dass die zweite Alternative in § 80 AsylG gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtsmittelklarheit verstoße, und damit nicht anwendbar sei (VGH München, Beschluss vom 19. März 2024 - 10 CE 24.374 -, juris Rn. 4 ff.; Beschluss vom 1. August 2024 - 10 CE 24.1299 -, juris Rn. 13), folgt dem der Senat nicht. Der Wortlaut des Beschwerdeausschlusses, der an Entscheidungen über „Maßnahmen“ zur Durchsetzung der Abschiebungsandrohung anknüpft, ist nach Auffassung des Senats hinreichend klar und erfasst unzweifelhaft auch Rechtsbehelfe, die auf das einstweilige Unterlassen aufenthaltsbeendender Maßnahmen gerichtet sind (a. A.: VGH München, Beschluss vom 19. März 2024 - 10 CE 24.374 -, juris Rn. 8). Denn der Gesetzgeber hat in § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG den Begriff der ausländerrechtlichen Maßnahme rechtlich hinreichend konkretisiert. In dieser Regelung wird ausdrücklich auch die Aussetzung der Abschiebung - wie auch die Abschiebung - als ausländerrechtliche Maßnahme bezeichnet (zutreffend: VGH München, Beschluss vom 30. April 2024 - 19 CE 24.661 -, juris Rn. 4).

Nach seinem Wortlaut erstreckt sich der Beschwerdeausschluss damit auch auf einstweilige Aussetzungen der Abschiebung zwecks Sicherung eines Titelerteilungsverfahrens (ebenso OVG Hamburg, Beschluss vom 23. Juli 2024 - 6 Bs 36/24 -, juris Rn. 14; VGH München, Beschluss vom 30. April 2024 - 19 CE 24.661-, juris Rn. 4 f.; a. A.: VGH Mannheim, Beschluss vom 5. Juli 2024 - 12 S 821/24 -, juris Rn. 11; VGH München, Beschluss vom 1. August 2024 - 10 CE 24.1299 -, juris Rn. 13; siehe auch Hoppe in: Dörig/Hocks, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 3. Aufl. 2024, § 8 Rn. 91b; Wittmann, InfAuslR 2024, 270, 271).

Insofern unterfällt die Beschwerde des Antragstellers, die der Sicherung seines in der Hauptsache verfolgten Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG dient, dem Beschwerdeausschluss. Der Antragsteller kann diesen Anspruch gegenüber dem Antragsgegner geltend machen, da er für die Erteilung der begehrten Verfahrensduldung gemäß § 71 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung die Zuständigkeit der Ausländerbehörde und zur Durchführung des Aufenthaltsgesetzes und des Asylgesetzes vom 4. Juni 2018 (GVBl. Seite 251) zuständig ist. Nach dieser Vorschrift nimmt das Regierungspräsidium Gießen als Bezirksordnungsbehörde, einschließlich des Regierungsbezirks Darmstadt, die Aufgaben der Ausländerbehörde für Ausländerinnen und Ausländer wahr, die verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung des Landes im Sinne der § 5 Abs. 5 Satz 1, § 44 Abs. 1 AsylG oder des § 15a Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu wohnen. Der Antragsteller, der aus dem sicheren Herkunftsland Ghana stammt (§ 29a AsylG i. V. m. Anlage II zum AsylG) und dessen Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, ist gemäß § 47 Abs. 1a AsylG verpflichtet, bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für seine Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Diese Verpflichtung wurde nicht gemäß § 47 Abs. 1a Satz 3 i. V. m. § 48 Nr. 3 AsylG vorzeitig beendet, weil der Antragsteller auch in Ansehung der nach Asylantragstellung geschlossenen Ehe mangels Lebensunterhaltsdeckung keinen Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Maßgabe des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG glaubhaft gemacht hat.

Für die Erstreckung des Rechtsmittelausschlusses auf das einstweilige Unterlassen aufenthaltsbeendender Maßnahmen spricht die Intention des Rückführungsverbesserungsgesetzes, das darauf abzielt, gesetzliche Regelungen, die Abschiebungsmaßnahmen verhindern oder zumindest erschweren, anzupassen und Rückführungen effektiver zu gestalten (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24. November 2023, BT-Drs. 20/9463, Seite 20). Diesem gesetzgeberischen Anliegen entspricht die Einbeziehung von Duldungen in den Beschwerdeausschluss, da die Aussetzung der Abschiebung, wie schon die amtliche Überschrift von Abschnitt 2 in Kapitel 5 des Aufenthaltsgesetzes („Durchsetzung der Ausreisepflicht“) nahelegt, unmittelbar auf die Abschiebung und mithin auch auf die mit der Abschiebungsandrohung beabsichtigte Durchsetzung der Ausreisepflicht abzielt. Eine Duldung stellt damit offensichtlich eine Gegenwehr gegen eine Maßnahme zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung dar (zutreffend VGH Mannheim, Beschluss vom 5. Juli 2024 - 12 S 821/24 -, juris Rn. 13).

Die Entstehungsgeschichte spricht nicht gegen den weiten Beschwerdeausschluss. Da die Regelung im ursprünglichen Gesetzesentwurf (BT-Drs. 20/9463) nicht enthalten war, kann für die Auslegung nur auf die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat (Vierter Ausschuss, BT-Drs. 20/10090, Seite 21) zurückgegriffen werden. Dieser begründete die Änderung dahingehend, „dass bei Rechtsstreitigkeiten nach erfolglosem Asylverfahren, in denen die asylrechtliche Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnungen durch die zuständigen Behörden nach dem Aufenthaltsgesetz vollzogen werden und in denen der Streitgegenstand als asylrechtlich anzusehen ist, die Beschwerde vorbehaltlich der Anfechtung der Nichtzulassung der Revision ausgeschlossen“ sein soll. Soweit diese an den Streitgegenstand knüpfende Formulierung im Sinne einer Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 80 AsylG über den Streitgegenstand verstanden wird, hätte dies zur Folge, dass Verfahrensduldungen zur Sicherung des Titelerteilungsverfahrens vom Beschwerdeausschluss nicht erfasst werden. Denn der Streitgegenstand bestimmt sich über den geltend gemachten prozessualen Anspruch, also über die begehrte Rechtsfolge und den dafür herangezogenen Grund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll. Grundsätzlich ist der geltend gemachte Anspruch im Verfahren nach § 123 VwGO der prozessuale Anspruch auf Sicherung des Hauptsacheanspruchs, sodass sich der Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens nach herrschender Auffassung mittelbar auf denjenigen des Verfahrens nach § 123 VwGO auswirkt (BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1994 - 9 C 501/93 -, juris Rn. 9 m. w. N.; VGH Mannheim, Beschluss vom 5. Oktober 2023 - 11 S 884/23 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 26. Oktober 2020 - 12 S 2380/20 -, juris Rn. 10; Beschluss vom 18. Dezember 2018 - 11 S 2125/18 -, Rn. 2). Da die Verfahrensduldung nicht das primäre Rechtsschutzziel des Antragstellers, sondern lediglich das prozessuale Mittel, zur Sicherung seines aufenthaltsrechtlichen Begehrens ist, wäre sie vom Anwendungsbereich des § 80 AsylG nicht umfasst.

Entgegen der von dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vertretenen Ansicht (Beschluss vom 5. Juli 2024 - 12 S 821/24 -, juris Rn. 16 f.) kann dem Hinweis in der Gesetzesbegründung auf Rechtsstreitigkeiten, in denen der Streitgegenstand als asylrechtlich anzusehen sei, aber keine solche inhaltliche Beschränkung entnommen werden.

Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 80 AsylG lässt sich der Begründung der Neuregelung nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen. Es spricht nach Auffassung des Senats vielmehr einiges dafür, dass der Gesetzgeber den auf Grundlage der Vorgängervorschrift bestehenden Streit um die Zuordnung der Unterlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Rahmen des § 80 AsylG beenden und durch die Neuformulierung im Sinne einer Zuordnung zum Asylrecht entscheiden wollte (hierzu: VGH München, Beschluss vom 19. März 2024 - 10 CE 24.374 -, juris Rn. 10).

Die Erwägung, eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz liege auch in den Fällen vor, in denen gegenüber einer Aufenthaltsbeendigung Duldungsgründe geltend gemacht werden, mit der Folge, dass sich der Beschwerdeausschluss auf diese Fälle erstrecke, entsprach in den 90er Jahren der vorherrschenden Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe (VGH Kassel, Beschluss vom 19. November 1993 - 12 TG 2539/93. In diesem Sinne auch: VGH Mannheim, Beschluss vom 19. Juli 1995 - 11 S 1088/94 -, juris; VGH München, Beschluss vom 9. Mai 1994 - 24 CE 93.32801 -, juris; OVG Bremen, Beschluss vom 14. Juni 1994 - 2 B 128/94 -, juris; OVG Koblenz, Beschluss vom 15. Februar 1995 - 10 B 13170/94 -, juris; OVG Schleswig, Urteil vom 13. März 1996 - 1 L 1/96 -, juris; OVG Münster, Beschluss vom 15. Oktober 1993 - 19 B 2645/93.A -, juris; OVG Weimar, Beschluss vom 27. März 1995 - 3 EO 631/94 -, juris).

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 25. September 1997 (1 C 6.97 -, juris) mit Blick auf die Rechtsmittelvorschrift des § 78 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1992 allerdings klargestellt, dass die auf Erteilung einer Duldung oder einer Aufenthaltsbefugnis gerichtete Klage eines Ausländers, dem nach erfolglosem Asylverfahren die Abschiebung angedroht worden ist, ihre rechtliche Grundlage nicht im Asylverfahrensgesetz, sondern ausschließlich im Ausländergesetz finde. Die gesetzliche Neuregelung des Asylverfahrensrechts im Jahr 1992 habe die verwaltungs- und gerichtsverfahrensrechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen wollen, dass bei Erfolglosigkeit des Asylantrags möglichst schnell eine vollziehbare Abschiebungsandrohung vorliege. Die Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht einschließlich der Entscheidung über das Vorliegen von Duldungsgründen habe der Gesetzgeber bewusst den Regelungen des Ausländerrechts überlassen. Angesichts der grundsätzlichen Trennung der im Asylverfahrensgesetz geregelten "Entscheidungsphase" von der im Ausländergesetz normierten "Vollstreckungsphase" könne die Abschiebung nicht als bloßer "Annex" der Asylentscheidung oder als Teil einer "funktionalen Einheit" dem Asylverfahrensgesetz unterstellt werden (BVerwG, Urteil vom 25. September 1997 - 1 C 6.97 -, juris Rn. 21).

Während der Hessische Verwaltungsgerichtshof auch in Ansehung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts an dem Beschwerdeausschluss für Verfahrensduldungen weiter festgehalten hat (Senatsbeschluss vom 17. August 2023 - 3 B 1143/23 -, juris Rn. 4 ff. und vom 7. August 2023 - 3 B 1143/23 -, juris Rn. 4 ff.; VGH Kassel, Beschluss vom 17. Oktober 2019 - 4 B 1953/19 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 19. April 2021 - 6 B 827/21.A -, unveröffentlicht sowie Beschluss vom 23. August 2018 - 7 D 1498/18.A -, juris Rn. 4 ff.; kritisch: BVerfG, Beschluss vom 30. November 2023 - 2 BvR 1478/23 -, juris Rn. 9), hat die Mehrheit der Oberverwaltungsberichte und Verwaltungsgerichtshöfe ihre Rechtsprechung zur vormaligen Fassung des § 80 AsylG geändert und Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Unterlassung der Abschiebung bzw. auf vorläufige Erteilung einer Duldung als ausländerrechtliche Streitigkeit eingeordnet und von dem für Asylstreitigkeiten geltenden Beschwerdeausschluss ausgenommen (VGH Mannheim, Beschluss vom 14. August 1998 - 9 S 1552/98 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. März 1998 - 4 B 28/98 -, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 16. Februar 2005 - 4 Bs 488/04 -, juris; OVG Münster, Beschluss vom 21. September 1998 - 17 B 402/98 -, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. November 2003 - 8 ME 189/03 -, juris; OVG Bautzen, Beschluss vom 14. Oktober 1998 - 3 S 526/98 -, juris; OVG Weimar, Beschluss vom 14. November 1997 - 3 ZEO 1229/97 -, juris).

Durch die Neuformulierung des § 80 AsylG hat der Gesetzgeber den Streit um die Reichweite des Beschwerdeausschlusses zugunsten eines weiten Verständnisses beendet. Für das weite Verständnis spricht zudem der Umstand, dass eine Unterscheidung zwischen „echten“ Maßnahmen zur Durchsetzung der Abschiebungsandrohung (wie etwa eine Passverfügung gegen einen abgelehnten Asylbewerber), die dem Beschwerdeausschluss unterfallen sollen, und genuin - auf die Unterlassung einer Aufenthaltsbeendigung - gerichteten aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen (hierzu: VGH München, Beschluss vom 19. März 2024 - 10 CE 24.374 Rn. 10) zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen würde. Die Reichweite eines Beschwerdeausschlusses muss aber klar definiert sein. Der Gesetzgeber ist an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtsmittelklarheit gebunden, der das Gebot umschließt, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen zu weisen, und es verbietet, ihn mit einem unübersehbaren "Annahmerisiko" und seinen Kostenfolgen zu belasten (BVerfG, Beschluss vom 9. August 1978 - 2 BvR 831/76 -, juris Rn. 37; Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 -, juris Rn. 69; VGH München, Beschluss vom 19. März 2024 - 10 CE 24.374 -, juris Rn. 6). Dem Rechtsuchenden muss durch hinreichend bestimmte und normenklare Regelungen im Bereich des Rechtsmittelrechts der Weg zu einer Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen durch die gesetzliche Ausgestaltung des Verfahrens klar vorgezeichnet werden. Er muss insbesondere erkennen können, welches Rechtsmittel in Betracht kommt und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen es zulässig ist (BVerfG, Beschluss vom 9. August 1978 - 2 BvR 831/76 -, juris Rn. 37; Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 -, juris Rn. 69; VGH München, Beschluss vom 19. März 2024 - 10 CE 24.374 -, juris Rn. 6).

Diesem Gebot der Rechtsmittelklarheit entspricht der weite Beschwerdeausschluss, wie er im Wortlaut der Neufassung des § 80 AsylG seinen Ausdruck gefunden hat. Die (mehrdeutige) Gesetzesbegründung ist nicht geeignet, diesen Wortlaut einzuschränken. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift der objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang, in den dieser hineingestellt ist, ergibt (BVerfG, Urteil vom 21. Mai 1952 - 2 BvH 2/52 -, juris Rn. 56 f.; BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 - 2 BvR 1520/01 -, juris Rn. 91 f.; BFH, Urteil vom 19. November 2003 - IX R 67/00 -, juris Rn. 10 f.; BGH, Urteil vom 27. Juni 2012 - IV ZR 239/10 -, juris Rn. 21; BVerwG, Beschluss vom 30. März 2015 - 5 PB 17.14 -, juris Rn. 7). Der Entstehungsgeschichte kann zur Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers zwar ein erhebliches Gewicht zukommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 - 1 PBvU 1/79 -, juris Rn. 59 f.; BGH, Urteil vom 12. März 2013 - XI ZR 227/12 -, juris Rn. 37 jeweils m. w. N.). Der Wille der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten findet bei der Interpretation aber nur insoweit Berücksichtigung, als er auch im Text Niederschlag gefunden hat. Die Materialien dürfen nicht dazu verleiten, die (mutmaßlichen) subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1960 - 2 BvL 11/59 -, juris Rn. 18).

Die Neufassung des § 80 AsylG ist schließlich auch im Zusammenhang mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG zu sehen, der ebenfalls durch das Rückführungsverbesserungsgesetz vom 21. Februar 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 54) mit Wirkung zum 27. Februar 2024 neu gefasst wurde. Hiernach ist das Bundesamt vor Erlass einer Abschiebungsandrohung verpflichtet zu prüfen, dass der Abschiebung weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen noch der Gesundheitszustand des Ausländers entgegenstehen. Diese Änderung geht auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zurück, der klargestellt hat, dass die Mitgliedstaaten in sämtlichen Stadien des Verfahrens, d. h. auch vor Erlass der Rücklehrentscheidung in Gestalt der Abschiebungsandrohung (zur Einordnung der Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung i. S. d. Art. 3 Nr. 4 RL 2008/115/EG: BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 2020 - 1 C 14.19 -, juris Rn. 14 und EuGH-Vorlage vom 8. Juni 2022 - 1 C 24.21 -, juris Rn. 18, 21; Senatsbeschluss vom 18. März 2024 - 3 B 1784/23 -, juris Rn. 22), verpflichtet sind, die Voraussetzungen des Art. 5 lit. a - c RL 2008/115/EG zu prüfen (vgl. EuGH, Beschluss vom 15. Februar 2023 - C-484/22 -, juris; Senatsbeschluss vom 4. September 2023 - 3 D 1144/23 -, juris Rn. 15 f. m. w. N.). Die Trennung zwischen asylrechtlicher Entscheidungsphase und aufenthaltsrechtlicher Vollstreckungsphase wird insoweit durchbrochen. Die genannten familiären und gesundheitlichen Belange, die den in § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG genannten Gründen für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung entsprechen, unterfallen damit dem Beschwerdeausschluss, wenn der Betroffene sie bereits der Abschiebungsandrohung entgegengehalten hat (vgl. Wittmann, InfAuslR 2024, Seite 31). Nichts anderes kann gelten, wenn der Antragsteller sie erst im Duldungsrechtsstreit geltend macht. Der zur alten Rechtslage geäußerte - zutreffende - Einwand, dass das unmittelbar anwendbare Unionsrecht nur zugunsten (und nicht zulasten) des Betroffenen wirken könne (Wittmann, InfAuslR 2024, Seite 31), wird durch die neu formulierten §§ 80, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG beseitigt. Auch insoweit kann die Neufassung des § 80 AsylG mithin als Reaktion des Gesetzgebers auf die jüngere Rechtsprechungsentwicklung betrachtet werden, die einen Beitrag zur Rechtsvereinheitlichung und Rechtsklarheit setzen will.

An der fehlenden Statthaftigkeit der Beschwerde ändert der Umstand nichts, dass das Verwaltungsgericht dem Beschluss vom 16. August 2024 eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt hat, die fehlerhaft von der Statthaftigkeit der Beschwerde ausgeht. Denn ein durch das Gesetz nicht vorgesehenes Rechtsmittel kann auch durch richterliche Entscheidung nicht zugelassen werden (BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1982 - 9 B 3520.82 -, juris Rn. 2).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Auch wenn der Beschwerdeausschluss im Asylgesetz geregelt ist, sind die von der zweiten Alternative des § 80 AsylG erfassten Vollzugsmaßnahmen der Ausländerbehörden ausländerrechtlicher Natur (anders noch zur alten Rechtslage VGH Kassel, Beschluss vom 4. September 2023 - 3 D 1144/23 -, juris Rn. 7 a. E.). Etwas anderes wäre nur dann anzunehmen gewesen, wenn der Gesetzgeber die ursprüngliche Regelung des Beschwerdeausschlusses auf ausländerrechtliche Abschiebungsmaßnahmen erstreckt und sie damit zu einer Rechtsstreitigkeit nach diesem Gesetz gemacht hätte. Indem der Gesetzgeber mit der Konjunktion „und“ eine neue Alternative eingeführt hat, wurde zugleich klargestellt, dass es sich bei ausländerrechtlichen Maßnahmen des Vollzugs nicht um asylrechtliche Streitigkeiten im engeren Sinne handelt, sondern um ausländerrechtliche Streitigkeiten, die ausnahmsweise wegen ihrer Nähe zum Asylverfahren dem Beschwerdeausschluss unterworfen werden. Damit kommen auch andere Vorschriften des Asylgesetzes, die tatbestandlich an das Vorliegen einer Streitigkeit nach „diesem Gesetz“ anknüpfen (etwa §§ 76 Abs. 4, 83 Abs. 1, 83b AsylG) und auch landesrechtliche Vorschriften wie § 6 Hessisches Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung, die Streitigkeiten nach dem Asylgesetz in Bezug nehmen, in Fällen, die dem Beschwerdeausschluss nach der zweiten Alternative des § 80 AsylG unterliegen, nicht zur Anwendung.