D.   Personenkreis

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Das Recht auf Aufenthalt über die Dauer von drei Monaten hinaus wird – vorbehaltlich der Verfügbarkeit eigener Mittel und des Vorhandenseins ausreichenden Krankenversicherungsschutzes – Unionsbürgern, die nicht Arbeitnehmer oder Selbständige sind, ihren Familienangehörigen nach der Definition von § 3 Abs. 2 und ihren Lebenspartnern, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, eingeräumt.

2

Anders als § 3 Abs. 6 enthält § 4 für den Lebenspartner eines nichterwerbstätigen Unionsbürgers keinen Verweis auf die Anwendbarkeit des nationalen Rechts (vgl. Erl. zu § 3).

3

Abweichend von dieser Regelung wird in § 4 S. 2 das Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen eines Unionsbürgers, der sich als Student im Bundesgebiet aufhält, auf den Ehegatten, Lebenspartner und seine Kinder, denen Unterhalt gewährt wird, beschränkt.

Die Beschränkung auf die Kernfamilie und damit die Rückführung auf den bestehenden Besitzstand erfolgte erst im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 05.12.2003.

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Die Umsetzung von Art. 7 Abs. 4 der UnionsbürgerRL ist hier ungenau. Die UnionsbürgerRL begrenzt nicht auf „seine“ Kinder, sondern auf „Kinder“, denen Unterhalt gewährt wird.

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Eine Umsetzung von Art. 7 Abs. 4 Satz 2 UnionsbürgerRL, wonach auf Verwandte in gerader aufsteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners Art. 3 Abs. 2 Anwendung findet, ist nach innerstaatlichem Recht nicht erfolgt, insoweit wird lediglich auf § 36 AufenthG verwiesen (vgl. Erl. zu § 3).

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Eine unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 2 UnionsbürgerRL lässt sich zwar angesichts der in den Bestimmungen der Richtlinie nicht hinreichend bestimmten Verpflichtung zur „Erleichterung“ von Einreise und Aufenthalt sonstiger Personen „nach innerstaatlichem Recht“ nicht entnehmen. Eine konkrete Verpflichtung ergibt sich lediglich aus dem letzten Satz der Bestimmung, die die Aufnahmemitgliedstaaten verpflichtet, eine eingehende Untersuchung der persönlichen Umstände durchzuführen und eine etwaige Verweigerung von Einreise und Aufenthalt zu begründen.

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Gleichwohl dürfte in Ermangelung einer Umsetzung von Art. 3 Abs. 2 der UnionsbürgerRL die Anwendung von § 36 AufenthG in nationaler Bedeutung den Absichten und der Erwartungshaltung des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht gerecht werden.

8

Zum Ende des Rechtsetzungsverfahrens wurde die UnionsbürgerRL um Erwägungsgrund 6 ergänzt. Hier heißt es:

„Um die Einheit der Familie im weiteren Sinne zu wahren und unbeschadet des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sollte die Lage derjenigen Personen, die nicht als Familienangehörige im Sinne dieser Richtlinie gelten und die daher kein automatisches Einreise- und Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat genießen, von dem Aufnahmemitgliedstaat auf der Grundlage seiner eigenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften daraufhin geprüft werden, ob diesen Personen die Einreise und der Aufenthalt gestattet werden könnte, wobei ihrer Beziehung zu dem Unionsbürger sowie anderen Aspekten, wie ihre finanzielle oder physische Abhängigkeit von dem Unionsbürger, Rechnung zu tragen ist“.

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Das vom Rat neu eingeführte Element wurde im Gemeinsamen Standpunkt vom 17.11.2003 damit begründet: „ Dieser Erwägungsgrund wurde hinzugefügt, um den in Artikel 3 enthaltenen Begriff der Erleichterung zu präzisieren“.

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Hier stellt sich grundsätzlich die Frage nach der aus dem Erwägungsgrund abzuleitenden Wirkung, eine „Präzisierung“ ergibt sich eher zur Motivlage.

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Zweck der Erwägungsgründe ist es nach dem Gemeinsamen Leitfaden des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, die wichtigsten Bestimmungen des verfügenden Teils in knapper Form zu begründen. „Sie dürfen keine Bestimmungen mit normativem Gehalt und auch keine politischen Willensbekundungen enthalten.“

„Die Erwägungsgründe werden im Gegensatz zum verfügenden Teil so formuliert, dass ihre Unverbindlichkeit deutlich wird.“

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Ein Erwägungsgrund kann nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zwar dazu beitragen, Aufschluss über die Auslegung einer Rechtsvorschrift zu geben, jedoch kann er nicht selbst eine solche Vorschrift darstellen

EuGH, U. v. vom 11. 6. 2009 – C-429/ 07 unter Bezugnahme auf die Urteile des Gerichtshofs vom 13.07.1989, Casa Fleischhandels, C-215/88, Slg. 1989, 2789, Rdnr. 31, und vom 24.11.2005, Deutsches Milch Kontor, C-136/ 04, Slg. 2005, I-10095, Rdnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung.

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Die Europäische Kommission sieht die Mitgliedstaaten offensichtlich in der Pflicht.

So zeigt sich die Kommission mit Bericht über die Anwendung der UnionsbürgerRL vom 10.12.2008 (KOM [2008] 840 endg.) mit der Umsetzung von Art. 3 Abs. 2 in dreizehn Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, unzufrieden.

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In der Hilfestellung bei Umsetzung und Anwendung der UnionsbürgerRL vom 02.07.2009 (KOM [2009] 313 endg.) führt die Kommission hierzu aus:

„Nach Artikel 3 Absatz 2 verfügen die Mitgliedstaaten über ein gewisses Ermessen, um Kriterien festzulegen, die bei der Entscheidung über die Vorzugsbehandlung anderer auf Unterstützung angewiesener Familienangehöriger nach Maßgabe der Richtlinie zu berücksichtigen sind.

Die Mitgliedstaaten sind bei der Festlegung solcher Kriterien jedoch nicht völlig frei.

Um die Einheit der Familie im weiteren Sinn zu wahren, muss im innerstaatlichen Recht eine eingehende Prüfung der persönlichen Umstände des Antragstellers vorgesehen sein, wobei nach Erwägungsgrund 6 der Richtlinie dessen Beziehung zu dem Unionsbürger sowie anderen Aspekten, wie seiner finanziellen oder physischen Abhängigkeit von dem Unionsbürger, Rechnung zu tragen ist.“

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Die Kommission führt weiter aus:

„Eine ablehnende Entscheidung unterliegt den in der Richtlinie vorgesehenen materiell- und verfahrensrechtlichen Garantien. Die Entscheidung muss schriftlich und rechtsmittelfähig begründet werden.“

Hiermit verweist die Kommission auf Art. 15 der UnionsbürgerRL.

 

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