Flüchtlingsanerkennung für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge

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Mit Urteilen vom 6. Juni 2017 hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, drei syrischen Staatsangehörigen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die drei Männer stammen aus der syrischen Stadt Homs bzw. aus der Provinz Dara’a und reisten in den Monaten Oktober und November 2015 in das Bundesgebiet ein. Aufgrund ihrer Asylanträge erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheiden vom Juli, August und November 2016 den drei Asylbewerbern sog. subsidiären Schutz zu, lehnte die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft jedoch ab.

Dagegen erhoben alle drei Asylbewerber Klage beim Verwaltungsgericht Kassel. Mit ihren Klagen verfolgen sie weiterhin das Ziel einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Zur Begründung hierfür tragen sie vor, dass ihnen bei Rückkehr nach Syrien aufgrund der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland und dem längeren Auslandsaufenthalt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohe. Sie hätten in Syrien ihren Wehrdienst geleistet, so dass ihnen bei einer etwaigen Rückkehr in ihr Heimatland eine Zwangsrekrutierung und in einem Fall wegen Wehrdienstverweigerung sogar die Todesstrafe drohe.

Damit wendet sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster, das am 4. Mai 2017 in einer Berufungsverhandlung entschieden hatte, einem 20-jährigen Syrer sei wegen Wehrdienstverweigerung keine Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Mit erstinstanzlichen Urteilen vom November 2016 hat das Verwaltungsgericht Kassel den drei Klagen stattgegeben und die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Zur Begründung hat das erstinstanzliche Gericht ausgeführt, in Anbetracht der anhaltenden Eskalation der politischen Konflikte und der Intensität der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien sei davon auszugehen, dass sich die Gefährdungslage weiter erheblich verschärft habe und der syrische Staat die illegale Ausreise, den Aufenthalt und eine Asylantragstellung im westlichen Ausland inzwischen generell als Ausdruck einer Regime kritischen Überzeugung ansehe.

Gegen diese Urteile wendet sich die Bundesrepublik Deutschland bzw. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit den vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufungen.

Nach Auffassung des Bundesamtes gibt es keine gesicherten Erkenntnisse dafür, dass Rückkehrern in Syrien ungeachtet besonderer persönlicher Umstände grundsätzlich eine oppositionelle Tätigkeit unterstellt werde und deshalb Befragungen und damit teilweise auch einhergehende Misshandlungen durch die dortigen Behörden in Anknüpfung an ein verfolgungsrelevantes Merkmal erfolgten. Nach der gegenwärtigen Auskunftslage seien weder die Asylantragstellung noch der Auslandsaufenthalt für sich allein ein Grund für die Annahme einer asylrechtlich beachtlichen Gefahr einer politischen Verfolgung durch Verhaftung oder Repressalien von Seiten der staatlichen Behörden Syriens.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zurückgewiesen. Anders als das Bundesamt ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, die Befürchtung der Kläger, im Fall einer Rückkehr nach Syrien drohe ihnen eine politische Verfolgung, sei begründet. Nach aktuellen Auskünften u.a. des Auswärtigen Amtes, des UNHCR und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zur Lage in der Arabischen Republik Syrien drohten den Klägern wegen ihrer Herkunft aus den von Rebellen beherrschten bzw. ehemals beherrschten Gebieten des Landes sowie in Anknüpfung an ihre von den syrischen Behörden wegen ihres Wehrdienstentzuges vermuteten oppositionellen Gesinnung bei einer Rückkehr über den Flughafen von Damaskus oder bei einer anderen offiziellen Einreise in ihr Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Inhaftierung und Folter und damit eine politische Verfolgung.

Die Revision gegen die Urteile wurde nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision ist die Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu entscheiden hätte.