Das Unionsrecht steht grundsätzlich dem automatischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit im Fall der Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit nicht entgegen

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Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 25. April 2024 entschieden, dass das Unionsrecht dem automatischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit im Fall der Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit grundsätzlich nicht entgegenstehe. Wenn dieser Verlust allerdings auch den Verlust der Unionsbürgerschaft mit sich bringt, muss eine Einzelfallprüfung der Folgen dieses Verlusts für die betreffende Person durchgeführt werden können.

Mehrere deutsche Staatsangehörige fechten vor einem deutschen Gericht den Verlust ihrer im Jahr 1999 durch Einbürgerung erworbenen deutschen Staatsangehörigkeit an. Um Deutsche zu werden, hatten sie auf ihre türkische Staatsangehörigkeit verzichten müssen. Nach ihrer Einbürgerung in Deutschland und genauer gesagt nach dem 1. Januar 2000 erlangten sie auf eigenen Antrag die türkische Staatsangehörigkeit wieder. Aufgrund einer Änderung der deutschen Rechtsvorschriften, die am 1. Januar 2000 in Kraft trat, zog diese Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit den automatischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach sich.

Das deutsche Gericht hat Zweifel an der Vereinbarkeit dieses automatischen Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit mit dem Unionsrecht. Da nämlich die betroffenen Personen nicht die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzen, führt er auch zum Verlust der Unionsbürgerschaft und somit des Rechts, sich in der Europäischen Union frei zu bewegen und aufzuhalten. Das deutsche Gericht hat daher den Gerichtshof dazu befragt.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Festlegung der Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust der Staatsangehörigkeit in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fällt. Wenn jedoch wie im vorliegenden Fall der Verlust der Staatsangehörigkeit auch den Verlust der Unionsbürgerschaft nach sich zieht, sind bestimmte Anforderungen des Unionsrechts und insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzuhalten.

Das Unionsrecht steht grundsätzlich dem nicht entgegen, dass eine Person, die freiwillig die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats erwirbt, automatisch die Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats und folglich auch die Unionsbürgerschaft verliert. In dieser Hinsicht ist es nämlich legitim, dass ein Mitgliedstaat das zwischen ihm und seinen Staatsbürgern bestehende Verhältnis besonderer Verbundenheit und Loyalität sowie die Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten, die dem Staatsangehörigkeitsband zugrunde liegen, schützen will.

Die betroffene Person muss jedoch die Möglichkeit haben, sich an die nationalen Behörden und Gerichte zu wenden, um prüfen zu lassen, ob der Verlust des Unionsbürgerstatus unverhältnismäßige Folgen für sie hat. Ist dies der Fall, muss sie ihre Staatsangehörigkeit und damit die Unionsbürgerschaft beibehalten oder gegebenenfalls rückwirkend wiedererlangen können.