Der Stauts eines langfristig Aufenthaltsberechtigten kann nicht automatisch aufgrund einer Vorstrafe versagt werden

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Der Gerichtshof der EU hat mit Urteil vom 3. September 2020 in den verbundenen Rechtssachen C‑503/19 und C‑592/19 entschieden, dass einem Drittstaatsangehörigen die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten aus Gründen der öffentlichen Ordnung nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109 nicht allein deshalb automatisch verweigert werden kann, weil gegen ihn eine beliebige strafrechtliche Verurteilung ergangen ist.

Die Versagung des Status eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109/EG setzt die Berücksichtigung und die Abwägung einer Reihe von Gesichtspunkten voraus, nämlich zum einen der Schwere oder der Art des von dem Betroffenen begangenen Verstoßes sowie der Gefahr, die er für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, und zum anderen der Dauer seines Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat sowie seiner möglichen Bindungen in diesem Mitgliedstaat.

Die Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte erfordert eine Einzelfallbeurteilung, was ausschließt, dass dem Betroffenen die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten allein deshalb versagt werden kann, weil er Vorstrafen gleich welcher Art hat.

Eine solche Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109 wird durch die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt, nach der Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden können, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betreffenden Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt.