EuGH

  • EuGH klärt Anforderungen für den Entzug der Flüchtlingseigenschaft bei schweren Straftaten

    Der Gerichthof der EU hat am 6. Juli 2023 wichtige Entscheidungen zur Aberkennung und Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft verkündet. Der Gerichtshof erläutert die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Maßnahme gegenüber einem Drittstaatsangehörigen, der wegen einer Straftat verurteilt wurde. 

  • Unionsrechtliche Auswirkungen von Erkrankungen auf Abschiebungsandrohungen

    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 22. November 2022 (C-69/21) eine Entscheidung zu den Auswirkungen einer Erkrankung auf den Erlass einer Rückführungsentscheidung getroffen. Die Entscheidung hat keine wesentlichen Auswirkungen auf die Systematik des deutschen Rechts, die zwischen der Befugnis, eine Abschiebungsandrohung zu erlassen, und der Möglichkeit, die Abschiebung beim Vorliegen von Abschiebungsverboten auszusetzen, trennt.

  • Keine Verlängerung der Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren wegen der Covid-19-Pandemie

    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 22.09.2022 in den verbundenen Rechtssachen C-245/21 und C-248/21 entschieden, dass eine aufgrund der Covid-19-Pandemie erfolgte Aussetzung des Überstellungsverfahrens im Rahmen eines Dublin-Verfahrens zu keiner Unterbrechung der sechsmonatigen Überstellungsfrist führt. Sobald diese Frist abgelaufen ist, wird der ersuchende Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

  • EuGH entscheidet zum Familiennachzug zu Flüchtlingen

    Der Gerichtshof der EU hat in den verbundenen Rechtssachen C-273/20 und C-355/20 (Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling) und in der Rechtssache C-279/20 (Nachzug eines volljährig gewordenen Kindes) Entscheidungen zur Familienzusammenführung zu Flüchtlingen getroffen. Er entschied, dass die Ablehnung der Erteilung eines nationalen Visums zum Zweck der Familienzusammenführung an den Elternteil eines während dieses Verfahrens volljährig gewordenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings gegen das Unionsrecht verstößt. Gleiches gilt für den Fall, dass ein solcher Antrag von einem minderjährigen Kind gestellt wird, das volljährig geworden ist, bevor sein Vater als Flüchtling anerkannt wurde.

  • Erlöschen der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten

    Der Gerichtshof der EU hat am 20. Januar 2022 (Az: C-432/20) entschieden, dass ein Drittstaatsangehöriger seine Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten auch dann nicht verliert, wenn er während eines Zeitraums von zwölf aufeinander folgenden Monaten nur wenige Tage im Unionsgebiet anwesend ist. Ist diese Rechtsstellung einmal erlangt, ist es nicht erforderlich, den gewöhnlichen Aufenthalt oder den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Unionsgebiet zu haben.

  • Die 3-Monatsfrist für die Geltendmachung eines neuen Sachverhalts ist im Folgeantragsverfahren nicht anwendbar

    Der Gerichtshof der EU hat mit Urteil vom 9. September 2021 (C-18/29) entschieden, dass es mit Unionsrecht unvereinbar ist, denn ein Folgeantrag allein deshalb als unzulässig zurückgewiesen wird, weil der Antrag nicht binnen einer bestimmten Frist gestellt wurde. Diese Entscheidung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der 3-Monatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG, die über § 71 Abs. 1 AsylG Anwendung findet.

  • Sind Folgeanträge zur Erlangung des Flüchtlingsstatus bei Syrern mit subsidiärem Schutz sinnvoll?

    Mit seinem Urteil in EZ gegen Deutschland vom 19. November 2020 hat der Gerichtshof der Europäischen Union eine neue Prozesslawine in Gang gebracht. Es stellt sich die Frage, ob die neue Entscheidung in Fällen tatsächlich Raum für Folgeanträge eröffnet, in denen syrischen Asylsuchenden „nur“ subsidiärer Schutz zuerkannt wurde.

  • Wehrdienstentziehung in Syrien begründet Anspruch auf Flüchtlingsschutz

    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 19.11.2020 (C-238/19) entschieden, dass die Flucht vor dem Wehrdienst in Syrien mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Grund zur Verfolgung durch die dortigen Behörden darstellt. Im Kontext des Bürgerkriegs in Syrien spreche eine starke Vermutung dafür, dass die Weigerung, Militärdienst zu leisten, mit einem Grund in Zusammenhang stehe, der einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründen könne. In vielen Fällen sei diese Weigerung nämlich Ausdruck politischer oder religiöser Überzeugungen oder habe ihren Grund in der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Mit seinen Aussagen zur Kausalitätsprüfung von Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund schafft der Gerichthof der Europäischen Union für Fälle der Wehrdienstentziehung Raum für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

  • Leistungsausschluss für EU-Bürger in Schulausbildung ist mit Unionsrecht unvereinbar

    Der Gerichthof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 6. Oktober 2020 in der Rechtssache Jobcenter Krefeld (C-181/19)entschieden, dass der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II vorgesehene Leistungsausschluss für Unionbürger, die ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 genießen, mit Unionsrecht unvereinbar ist. Ein früherer Wanderarbeitnehmer und seine Kinder, denen ein Aufenthaltsrecht aufgrund des Schulbesuchs der Kinder zusteht, können nicht mit der Begründung, dass dieser Arbeitnehmer arbeitslos geworden ist, automatisch von nach dem nationalen Recht vorgesehenen Leistungen der sozialen Grundsicherung ausgeschlossen werden.

  • Der Stauts eines langfristig Aufenthaltsberechtigten kann nicht automatisch aufgrund einer Vorstrafe versagt werden

    Der Gerichtshof der EU hat mit Urteil vom 3. September 2020 in den verbundenen Rechtssachen C‑503/19 und C‑592/19 entschieden, dass einem Drittstaatsangehörigen die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten aus Gründen der öffentlichen Ordnung nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109 nicht allein deshalb automatisch verweigert werden kann, weil gegen ihn eine beliebige strafrechtliche Verurteilung ergangen ist.

  • Fehlende Anhörung durch das Bundesamt führt zu Rechtswidrigkeit einer Unzulässigkeitsentscheidung

    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit seinem Urteil vom 16. Juli 2020 in der Rechtssache Addisdie Verfahrensrechte von Asylbewerbern einem besonderen Schutz unterworfen. Es ist mit der praktischen Wirksamkeit der Verfahrensrichtlinie, unvereinbar, wenn das mit dem Rechtsbehelf befasste Gericht eine von der Asylbehörde unter Verletzung der Pflicht, dem Antragsteller Gelegenheit zu einer persönlichen Anhörung zu seinem Antrag auf internationalen Schutz zu geben, erlassene Entscheidung bestätigen könnte, ohne selbst den Antragsteller unter Wahrung der im Einzelfall anwendbaren grundlegenden Bedingungen und Garantien anzuhören.

  • Aufhebung des Trenungsverbots bei der Abschiebungshaft ist ausnahmsweise mit Unionsrecht vereinbar

    „Gefährder“ dürfen für die Dauer ihrer Abschiebungshaft ausnahmsweise in gewöhnlichen Haftanstalten untergebracht werden.

  • Verwahrung von Asylbewerbern in der Transitzone Röszke an der serbisch- ungarischen Grenze ist „Haft“

    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-924/19 PPU und C-925/19 PPU FMS u. a./Országos Idegenrendeszeti Főigazgatóság Dél-alföldi Regionális Igazgatóság und Országos Idegenrendeszeti Főigazgatóság am 14. Mai 2020 entschieden, dass die Verwahrung von Asylbewerbern bzw. Drittstaatsangehörigen, die Gegenstand einer Rückkehrentscheidung sind, in der Transitzone Röszke an der serbisch- ungarischen Grenze als „Haft“ einzustufen ist. Ergibt die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer solchen Haft, dass die betreffenden Personen ohne gültigen Grund in Haft genommen wurden, muss das angerufene Gericht sie unverzüglich freilassen.

  • Einreise über Serbien führt nicht zur Unzulässigkeit eines Asylbegehrens

    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 19. März 2020 in der Rechtsache C-564/18 entschieden, dass alleine die bloße Einreise über einen als "sicher" titulierten Drittstaat (hier: Serbien) nicht ausreicht, um ein Asylgesuch ohne inhaltliche Prüfung als "unzulässig" abzulehnen. Aus diesem Grund ist das derzeit geltende ungarische Asylrecht unionsrechtswidrig.

  • Rechtsstatus nach Aberkennung der Verweigerung der Flüchtlingseigenschaft aus Gründen des Schutzes der Sicherheit

    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 14. Mai 2019 in den verbundenen Rechtssachen C-391/16, C-77/17 und C-78/17 (M / Ministerstvo vnitra, X und X / Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides) entschieden, dass die Bestimmungen der Richtlinie über Flüchtlinge in Bezug auf die Aberkennung und die Verweigerung der Zuerkennung der Rechtsstellung als Flüchtling aus Gründen, die mit dem Schutz der Sicherheit oder der Allgemeinheit des Aufnahmestaats zusammenhängen, gültig sind. Der Gerichtshof ist auch der Ansicht, dass die Aberkennung der Rechtsstellung als Flüchtling oder die Verweigerung der Zuerkennung dieser Rechtsstellung nicht dazu führen, dass eine Person, die eine begründete Furcht vor Verfolgung in ihrem Herkunftsland hat, die Eigenschaft als Flüchtling verliert. Obwohl eine solche Person nicht oder nicht mehr über alle in der Richtlinie den Inhabern der Rechtsstellung als Flüchtling vorbehaltenen Rechte und Leistungen verfügt, kann sie daher bestimmte im Genfer Abkommen vorgesehene Rechte geltend machen oder weiterhin geltend machen.

  • EuGH klärt die Dauer der Fortgeltung der Erwerbstätigeneigenschaft bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit

    Der EuGH klärt eine der zentrale Fragen des Freizügigkeitsrechts. In Literatur und Rechtsprechung war lange Zeit umstritten, in welchem Umfang die Arbeitnehmereigenschaft erhalten bleibt, wenn ein Unionbürger nach mehr als einem Jahr Beschäftigung unfreiwillig arbeitslos wird. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU, der die Regelung des Art. 7 Abs. 3 lit b UnionbürgerRL umsetzt, lässt anders als bei einer Beschäftigung von weniger als einem Jahr (§ 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU) nicht erkennen, ob es eine zeitliche Höchstgrenze gibt.

  • Rückführung von Flüchtlingen in andere EU- Mitgliedstaaten auch bei großer Armut oder einer starken Verschlechterung der Lebensverhältnisse zulässig

    Der Gerichthof der Europäischen Union hat am 19. März 2019 mit zwei Urteilen (Rechtssache C-163/17 Jawo und in den verbundenen Rechtssachen C-297/17, C-318/17 Ibrahim, C-319/17 Sharqawi u. a. und C-438/17 Magamadov) entschieden, dass ein Asylbewerber in den Mitgliedstaat überstellt werden darf, der normalerweise für die Bearbeitung seines Antrags zuständig ist oder ihm bereits subsidiären Schutz gewährt hat, es sei denn, er würde dort aufgrund der voraussichtlichen Lebensumstände der Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in eine Lage extremer materieller Not versetzt, die gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verstößt. Mängel im Sozialsystem des betreffenden Mitgliedstaats erlauben für sich allein genommen nicht den Schluss, dass das Risiko einer solchen Behandlung besteht.

  • Der kraft Gesetzes eintretende Verlust der Unionbürgerschaft ist mit EU-Recht vereinbar

    Der Gerichthof der EU hat mit Urteil vom 12.03.2019 in der Rechtssache Tjebbes (Aktenzeichen: C-221/17) entschieden, dass bei einem dauerhaften Wegfall einer echten Bindung zwischen einer Person und einem Mitgliedstaat das Unionsrecht dem Verlust der Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats und hieraus folgend dem der Unionsbürgerschaft nicht entgegen steht. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt jedoch eine Einzelfallprüfung der Folgen dieses Verlusts für die Betroffenen aus unionsrechtlicher Sicht.

  • Hürden beim Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen sind bei Versäumung der 3-monatigen Antragsfrist unionsrechtskonform

    Der EuGH hat in der Rechtssache C-380/17 am 7. November 2018 in einem Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Raad van State (Staatsrat, Niederlande) entschieden, dass einem Flüchtling, der nach seiner unanfechtbaren Anerkennung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Monaten (§ 29 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 AufenthG) einen Antrag auf Familienzusammenführung stellt, die Privilegierungen, insbesondere der Verzicht auf die Lebensunterhaltssicherung, vorenthalten werden darf. Allerdings verhielte es sich anders, wenn die verspätete Stellung des Antrags auf Familienzusammenführung aufgrund besonderer Umstände objektiv entschuldbar ist.

  • EuGH: Ausschluss subsidiären Schutzes darf sich nicht allein am Strafmaß orientieren

    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil in der Rechtssache Shajin Ahmed (Az.: C-369/17) am 13. September 2018 entschieden, dass eine Person nicht von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen werden kann, wenn ausschließlich anhand des nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Strafmaßes davon ausgegangen wird, dass sie eine „schwere Straftat begangen“ hat.