Besser spät als nie: die deutsche Staatsbürgerschaft als Wiedergutmachung – großzügige Liberalisierung im deutschen StAG in Kraft getreten

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In dem Gastbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Stephan Heidenhain wird die am 20. August 2021 in Kraft tretende weitreichende Liberalisierung des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts besprochen (Art. 4 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigengesetzes vom 12. August 2021 – BGBl. I S. 3538).  Mit diesem Gesetz hat der Bundesgesetzgeber nach mehr als 70 Jahren endlich den Auftrag aus Art. 116 Abs. 2 GG eingelöst („C´est mieux tard que jamais“), und er hat so den in Art. 116 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch ins Staatsbürgerschaftsgesetz übernommen.

Der Bundestag und der Bundesrat haben am 24. und 25. Juni 2021 in einem sehr schnellen Verfahren an den beiden letzten Tagen vor der Sommerpause die Änderungen im Staatsangehörigengesetz (im Folgenden: StAG) umgesetzt. Am Ende des Gesetzgebungsverfahrens sind noch Verschärfungen in das Gesetz hereingekommen, die sich aber weniger gegen jüdische Emigranten und deren Nachkommen richten, sondern gegen Antragsteller, die antisemitische und andere verfassungsfeindliche Tendenzen haben. Bei entsprechenden Verurteilungen ist eine Einbürgerung ausgeschlossen.

Das wird wie folgt begründet:

„Der Bundestags-Innenausschuss hat außerdem mit großer Mehrheit beschlossen, künftig ein stärkeres Augenmerk darauf zu richten, Ausländerinnen und Ausländern, insbesondere, wenn sie deutsche Staatsangehörige werden wollen, die historische Verantwortung Deutschlands näher zu bringen, aus der folgt, dass Antisemitismus nicht geduldet wird, das Existenzrecht Israels zur deutschen Staatsräson gehört und religiöse Toleranz gegenüber der jüdischen Religion eingefordert wird. Deshalb wurde die Bundesregierung aufgefordert, den Einbürgerungstest und das Curriculum der Orientierungskurse vor Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit anzupassen, um diese Punkte deutlicher hervorzuheben.“

Ob das Sinn macht, ist fraglich, denn zum einen mussten schon bisher Führungszeugnisse vorgelegt werden, und zum anderen sind jüdische Emigranten und deren Nachkommen in der Regel keine Antisemiten, geschweige denn für solche Tagen verurteilt worden. Im Gegenteil, Antisemitismus und Rassismus sind seit langem ein Problem bei einer festen, aber kleinen Minderheit von deutschen Staatsbürgern, und viele Rassisten und Antisemiten in Deutschland kämpfen weniger mit dem Staatsbürgerschaftsrecht, als mit dem Ausländer-, Asyl- und Flüchtlingsrecht.

Wie das BMI in der Pressemitteilung „Gesetzlicher Anspruch auf Einbürgerung für NS-Verfolgte und ihre Nachkommen von Bundestag und Bundesrat beschlossen“ vom 25. Juni 2021 ausführt, hat jetzt „das Vierte Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes … vor allem gesetzliche Ansprüche zur staatsangehörigkeitsrechtlichen Wiedergutmachung geschaffen“. Daneben erfolgt eine Ergänzung von § 14 StAG, der die Anträge auf deutsche Staatsbürgerschaft von Antragstellern aus dem Ausland erleichtern soll. Dies war bisher nur den Gattinnen von Botschaftern vorbehalten, und nach den Erlassen des BMI den Antragstellern, die keinen erfolgreichen Antrag nach Art. 116 Abs. 2 GG stellen konnten.

Die Folge der Änderung des StAG ist jetzt, dass für jüdische und rassisch verfolgte, aber auch politische Emigranten aus dem Deutschen Reich in den Jahren 1933 bis 1945 und deren Nachkommen der Weg zum deutschen Pass einfacher, wenn auch nicht einfach geworden ist, und dass nun auch viele in den Genuss dieser Regeln kommen, deren Vorfahren nie deutsche Staatsbürger waren.

Eine ausführliche Darstellung des neuen Gesetzes finden sie von Rechtsanwalt Dr. Stephan Heidenhain unter Beiträgedes neuen Gesetzes finden sie von Rechtsanwalt Dr. Stephan Heidenhain unter Beiträge