Das Brexit-Gesetz: Gut gemeint, aber schlecht gemacht!

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In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wird der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Überleitung von Freizügigkeitsrechten ins Aufenthaltsrecht infolge eines möglichen ungeregelten Brexits in den Bundestag eingebracht.Das Anliegen des Gesetzentwurfs, dass alle britischen Freizügigkeitsberechtigten als dann "Drittstaatsangehörige" einen dem Freizügigkeitsrecht entsprechenden rechtmäßigen Aufenthaltstitel erhalten sollen, ist uneingeschränkt zu unterstützen. Leider weist der Gesetzentwurf einige handwerkliche Mängel auf, die dringend berichtigt werden sollten.

So sieht der neue § 101a Absatz 1 AufenthG-E folgende Regelung vor:

(1) Britischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern für das Bundesgebiet besitzen, wird eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 erteilt. Die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 sowie Nummer 5 bis 9 finden keine Anwendung.

Die Rechtsstellung nach § 4a FreizügG/EU „besitzt“, wer die Voraussetzungen des § 4a FreizügG/EU erfüllt. Nicht der Besitz der deklaratorischen Bescheinigung nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU ist maßgeblich, sondern das Erfüllen der Erteilungsvoraussetzungen des § 4a FreizügG/EU. Eine Klarstellung durch den Austausch des Verbs „besitzen“ durch die Formulierung „erworben haben“ wäre wünschenswert.

Der Entwurf verweist ausdrücklich nicht auf § 9 Absatz 2 Satz 1 (Satz 1 fehlt im Normtext) Nummer 4 AufenthG. Dies ist konsequent, da die Niederlassungserlaubnis beim Vorliegen von Gründen der Sicherheit und Ordnung versagt werden soll. Hier fehlt aber die Klarstellung, die der Entwurf in Absatz 3 für § 5 Absatz 1 Nr. 2 AufenthG vorsieht: § 9 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass sich die Voraussetzungen nach § 2 Absatz 7 und § 6 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern richten.

Der Absatz 2 soll folgende Fassung erhalten:

(2) Britischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union ein Aufenthaltsrecht nach § 2 oder § 3 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern für das Bundesgebiet besitzen und die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 3, 4 oder 6 erfüllen, wird eine Aufenthaltserlaubnis nach diesen Vorschriften erteilt.

Auch hier sollte das Verb „besitzen“ durch „erworben haben“ ersetzt werden.

Absatz 3 erhält die folgende Fassung:

(3) Britischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union ein Aufenthaltsrecht nach § 2 oder § 3 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern für das Bundesgebiet besitzen, aber nicht die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 3, 4 oder 6 oder nach Absatz 1 erfüllen, wird eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 erteilt. § 5 Absatz 1 Nummer 1 findet keine Anwendung. § 5 Absatz 1 Nummer 2 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass sich die Voraussetzungen nach § 2 Absatz 7 und § 6 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern richten. Die Ausübung der Erwerbstätigkeit ist zu erlauben.

Der Satz zur Erwerbstätigkeit ist missverständlich. Die Formulierung „zu erlauben“ lässt den Gedanken aufkommen, dass eine Gestattung erforderlich ist. Gemeint ist wohl, dass die Erwerbstätigkeit kraft Gesetzes gestattet wird. Dies wird zutreffend wie folgt formuliert: „Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.“

Der Absatz 4 erhält die Fassung:

(4) Britischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union ein Aufenthaltsrecht nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern für das Bundesgebiet besitzen, wird bei Beantragung eines Aufenthaltstitels eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 4 ausgestellt.

Der Gesetzgeber will offensichtlich verhindern, dass während der Dauer des Verfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis der Aufenthalt nicht rechtmäßig ist. Dabei gerät aber die Notwendigkeit, eine Regelung zur Ausübung der Erwerbstätigkeit zu schaffen, außer Blick. Denn Unionsbürger und ihre Familienangehörigen schöpfen das Recht auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit unmittelbar aus der Freizügigkeit. Sie haben daher keinen Aufenthaltstitel, der auch das Recht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit umfasst. Daher sollte eine Klarstellung aufgenommen werden, dass die Erwerbstätigkeit während der Dauer der Prüfung des Aufenthaltstitels gestattet ist.

Außerdem umfasst die Formulierung „ein Aufenthaltsrecht“ nach dem FreizügG/EU auch Personen, die keine Freizügigkeit genießen, aber sich aufgrund der Freizügigkeitsvermutung rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Solange keine Feststellung des Verlusts der Freizügigkeit ergeht, haben diese Personen ein Recht zum Aufenthalt, was sich aus § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU ergibt.

Im Hinblick auf die Absätze 5 und 6 besteht kein Änderungsbedarf.

(5) Für die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach den Absätzen 1 und 3 gilt § 7 Absatz 2 Satz 2 und für die Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen nach Absatz 3 gelten § 7 Absatz 2 Satz 2 und § 8 mit der Maßgabe, dass der Zeitpunkt der Erteilung oder der Verlängerung an den des Wirksamwerdens des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union tritt.
(6) Britische Staatsangehörige sind Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland im Sinne der Neuen Erklärung der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland vom 31. Dezember 1982 über die Bestimmung des Begriffs „Staatsangehörige“ in Verbindung mit der Erklärung Nr. 63 im Anhang der Schlussakte der Regierungskonferenz, auf der der Vertrag von Lissabon angenommen wurde.“

Mainz, 25.09.2019