Die Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes und Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft

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Die Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts wurde am 19.01.2024 im Bundestag verabschiedet. Das Gesetz wird 3 Monate nach seiner Veröffentlichung in Kraft treten. Das Gesetz bringt eine Reihe wichtiger Neuerungen mit sich. Nach wie vor sind Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 und ein Einbürgerungstest erforderlich, wobei es einige Ausnahmen für Härtefälle gibt. Die Anforderungen an die Sicherung des Lebensunterhalts werden verschärft. Benachteiligt werden hierdurch Alleinerziehende, Kinder, Jugendliche, Auszubildende, Studenten, Rentner, Kranke oder Behinderte sowie pflegende Angehörige.

Die wichtigsten Punkte des Gesetzes sind:

1. mehrfache Staatsbürgerschaft

Die doppelte oder mehrfache Staatsbürgerschaft wird zur Regel. Die Einbürgerung erfolgt unter Hinnahme von mehr als einer Staatsangehörigkeit. Die bisherige(n) Staatsangehörigkeit(en) müssen also nicht mehr aufgegeben werden.

Künftig wird es möglich sein, nach der Einbürgerung eine weitere Staatsangehörigkeit zu erwerben, ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu verlieren. Auch Personen, die bereits eingebürgert wurden, können nach Inkrafttreten der Reform eine weitere Staatsangehörigkeit erwerben, ohne ihre deutsche Staatsangehörigkeit zu verlieren.

Eine rückwirkende Lösung für Personen, die ihre Staatsangehörigkeit nach altem Recht verloren haben, sieht das Gesetz nicht vor. Dies ist eine verpasste Chance und wird zu weiteren unnötigen Problemen führen. Diese Gruppe wird von dem neuen Gesetz nicht profitieren.

2. Aufenthaltsdauer

Die für die Einbürgerung erforderliche Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts wurde von acht auf fünf Jahre verkürzt.

Diese Frist kann für Personen mit "besonderem Integrationserfolg" auf drei Jahre verkürzt werden. Dabei handelt es sich um Personen, die die deutsche Sprache beherrschen (C1), sich ehrenamtlich engagieren oder hervorragende schulische und berufliche Leistungen erbracht haben.

Gleichzeitig wird das ius soli Erwerb für Kinder (Staatsbürgerschaft durch Geburt in Deutschland) erleichtert. Ein Elternteil muss künftig statt acht nur noch fünf Jahre rechtmäßigen Voraufenthalt vorweisen.

3. Option für Kinder

In Deutschland geborene Kinder mit mehr als einer Staatsangehörigkeit müssen sich nicht mehr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Dies ist insbesondere für im Ausland lebende Kinder von Vorteil.

4. Sicherung des Lebensunterhalts

Die Neufassung des Staatsangehörigkeitsgesetzes sieht vor, dass derjenige, der die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt, grundsätzlich in der Lage sein muss, seinen Lebensunterhalt und den seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen zu bestreiten.

Dies ist der Fall, wenn eine Person eine Vollzeitstelle hat und in den letzten 24 Monaten mindestens 20 Monate gearbeitet hat.

Ausgenommen von dieser Verpflichtung sind Personen, die vor 1974 als "Gastarbeiter" nach Westdeutschland gekommen sind, und Vertragsarbeiter, die aus dem Ausland nach Ostdeutschland gekommen sind.

5. Deutsche Sprachkenntnisse und Einbürgerungstest

Es sind nach wie vor Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 erforderlich. Weiterhin muss auch in Zukunft ein Einbürgerungstest oder ein Zertifikat Leben in Deutschland vorhanden sein.

Eine Erleichterung gibt es für die sogenannte Gastarbeitergeneration. Sie müssen nur über mündliche Kenntnisse verfügen und den Alltag ohne größere Probleme bewältigen können. Den Einbürgerungstest müssen sie nicht ablegen.

Für den Sprachnachweis wurde eine Härtefallregelung geschaffen, wonach die Sprachanforderung auf mündliche Kenntnisse reduziert werden kann, wenn nachgewiesen wird, dass der Erwerb des Niveaus B1 trotz ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen nicht möglich ist oder dauerhaft erheblich erschwert wird.

6. Vorstrafen und Verfassungstreue

Wie bisher sind Verurteilungen bis zu 90 Tagen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit grundsätzlich unschädlich.

Der Grundsatz der Verfassungstreue wird in der Neufassung des Gesetzes weiter präzisiert.
Es wird betont, dass "antisemitische, rassistische, sexuell oder geschlechtsfeindliche Einstellungen und menschenverachtende Verhaltensweisen" mit dem die Menschenwürde garantierenden Artikel des Grundgesetzes unvereinbar sind.

Die Einbürgerung ist auch zu verweigern, wenn eine polygame Ehe besteht oder wenn das Verhalten einer Person zeigt, dass sie die in der Verfassung verankerte Gleichberechtigung von Mann und Frau missachtet.

7. Bekenntnis zum Erhalt jüdischen Lebens und das Verbot, einen Angriffskrieg zu führen

Infolge des israelfeindlichen Angriffs vom 7. Oktober wurde ein neuer Artikel in den Gesetzestext eingefügt. Wer die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben will, muss "die besondere historische Verantwortung Deutschlands für den Schutz jüdischen Lebens, insbesondere wegen des nationalsozialistischen Unrechtsregimes und seiner Folgen" anerkennen.

Aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wird das "Verbot der Führung eines Angriffskrieges" betont. Wer diese Prinzipien nicht anerkennt, wird nicht eingebürgert.

8. Einbürgerungsfeier

Das neue Gesetz sieht vor, dass die Einbürgerungsurkunde in einer öffentlichen Zeremonie überreicht werden soll.

Rechtsanwalt Ünal Zeran