GEAS-Anpassungsgesetz führt Fiktion eines Eilantrags bei Stellung eines Zulassungsantrags ein

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Durch die beabsichtigte Neuregelung des GEAS-Anpassungsgesetzes und dem GEAS-Anpassungsfolgegesetz  wird zum einen ein Eilantrag auf Gestattung des Verbleibs im Bundesgebiet nach Art. 68 Abs. 7 AsylVf-VO fingiert und zum anderen ein Verbundverfahren dieses Eilverfahrens mit den Zulassungsverfahren beim Berufungs- und Revisionsgericht eingeführt. Die Verbindung beider Verfahren erscheint auf den ersten Blick geeignet, eine Mehrbelastung der Instanzgerichte zu vermeiden, sie unterliegt aber unionsrechtlichen Bedenken, wenn – was zu erwarten ist – eine Entscheidung über Zulassungsanträge nicht zeitnah erfolgt.

Nach Art. 68 Abs. 7 AsylVf-VO hat ein Antragsteller, der einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über einen ersten Rechtsbehelf einlegt, grundsätzlich kein Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats. Das Gericht kann auf Antrag des Antragstellers oder von Amts wegen, aber auch im Rechtsmittelverfahren einen Verbleib im Mitgliedstaat erlauben, wenn der Grundsatz der Nichtzurückweisung geltend gemacht wurde.

„(7) Ein Antragsteller oder eine Person, der der internationale Schutz entzogen wurde, der oder die einen weiteren Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über einen ersten oder einen weiteren Rechtsbehelf einlegt, hat kein Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, es sei denn, das Gericht erlaubt auf Antrag des Antragstellers oder der Person, der der internationale Schutz entzogen wurde, oder von Amts wegen, wenn der Grundsatz der Nichtzurückweisung geltend gemacht wurde, dem Antragsteller oder Person, der der internationale Schutz entzogen wurde, zu bleiben.“

Die Umsetzung dieser Vorgabe erfolgt durch Anfügen eines Absatzes 9 in § 78 AsylG-E, der folgenden Inhalt hat:

„(9) Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung gilt ein Antrag nach Artikel 68 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 2024/1348 als gestellt; mit der Entscheidung über die Zulassung der Berufung entscheidet das Oberverwaltungsgericht auch über den Antrag nach Artikel 68 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 2024/1348. Dies gilt auch für Anträge nach § 133 und § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung. Hat das Oberverwaltungsgericht die Revision zugelassen, gilt dies als Entscheidung nach Artikel 68 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 2024/1348. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig.“

Mit der Begründung des Gesetzentwurfs wird zur Neuregelung ausgeführt, dass aus verfahrensökonomischen Gründen und zur Vermeidung einer Mehrbelastung der Gerichte der Antrag auf Gestattung des Verbleibs parallel zum Berufungszulassungsverfahren laufen soll. Dies soll auch für Anträge auf Zulassung der Revision gelten. Klargestellt werde auch, dass eine Zulassung der Revision stets als Entscheidung über den Verbleib gelte.

Durch die Neuregelung wird zum einen Eilantrag auf Gestattung des Verbleibs im Bundesgebiet nach Art. 68 Abs. 7 AsylVf-VO fingiert und zum anderen ein Verbundverfahren dieses Eilverfahrens mit den Zulassungsverfahren beim Berufungs- und Revisionsgericht eingeführt. Die Verbindung beider Verfahren erscheint auf den ersten Blick geeignet, eine Mehrbelastung der Instanzgerichte zu vermeiden, sie unterliegt aber unionsrechtlichen Bedenken, wenn – was zu erwarten ist – eine Entscheidung über Zulassungsanträge nicht zeitnah erfolgt. Denn durch die gesetzliche Neuregelung in § 78 Abs. 9 Satz 4 AsylG-E wird dem Asylbewerber für die Dauer des Zulassungsverfahrens ausdrücklich ein Recht auf Abschiebungsschutz eingeräumt. Mehrjährige Zulassungsverfahren führen damit faktisch zu einem Bleiberecht für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens, was dem unionsrechtlichen Beschleunigungszweck zuwiderläuft, der in der 94. Erwägungsgrund der AsylVf-VO zum Ausdruck gebracht wird:

„Um eine wirksame Rückkehr zu gewährleisten, sollten Antragsteller im Stadium eines Rechtsbehelfs in zweiter oder höherer Instanz vor einem Gericht gegen eine ablehnende Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz nicht das Recht haben, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats zu verbleiben […].“

Ein Verbundverfahren wird nur dann dem unionsrechtlichen Beschleunigungsgedanken hinreichend Rechnung tragen können, wenn über das Zulassungsverfahren und damit über den Antrag auf Verbleib zeitnah entschieden wird. Damit wird faktisch eine Entscheidungsfrist in das asylrechtliche Zulassungsverfahren eingeführt, da das Unionsrecht eine zeitnahe Entscheidung über die Bleiberechtsverfahren gebietet.

Im Hinblick auf die mit den Bleiberechtsverfahren verbundenen Mehrbelastung der Instanzgerichte sollte eine Abschaffung der asylrechtlichen Berufungszulassungsverfahren geprüft werden. Denn die AsylVf-VO sieht keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte erster Instanz zu eröffnen. Ein wirksamer Rechtsbehelf, der nach Art. 67 Abs. 1 AsylVf-VO gewährleistet sein muss, ist nach Art. 67 Abs. 3 AsylVf-VO bereits durch eine umfassende Prüfung durch ein erstinstanzliches Gericht gewährleistet. § 67 Abs. 3 AsylVf-VO bestimmt insoweit:

„(3) Ein wirksamer Rechtsbehelf gemäß Abs. 1 sieht eine umfassende Ex-nunc-Prüfung zumindest vor einem erstinstanzlichen Gericht vor, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls auch das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Verordnung (EU) 2024/1347 beurteilt wird.“

Die Möglichkeit, einen Instanzenzug beizubehalten, ergibt sich unmittelbar aus den Erwägungsgründen 88, 89 und 94 der AsylVf-VO. Mit den Sätzen 3 und 4 des 89. Erwägungsgrunds wird ausdrücklich klargestellt, dass die Verordnung die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Organisation ihres nationalen Gerichtssystems und die Festlegung der Zahl der Rechtsbehelfsinstanzen unberührt lassen soll:

„Diese Verordnung sollte die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Organisation ihres nationalen Gerichtssystems und die Festlegung der Zahl der Rechtsbehelfsinstanzen unberührt lassen. Sieht das nationale Recht die Möglichkeit vor, weitere Rechtsbehelfe gegen eine erste Rechtsbehelfsentscheidung oder spätere Rechtsbehelfsentscheidungen einzulegen, so sollten das Verfahren und die aufschiebende Wirkung solcher Rechtsbehelfe im Einklang mit dem Unionsrecht und internationalen Verpflichtungen im einzelstaatlichen Recht geregelt werden.“

In Anbetracht des erkennbaren Bestrebens der AsylVf-VO, Asylverfahren zügig zu beenden, erscheint es sinnvoll, die gegenwärtige Regelung der Berufungszulassung in § 78 Abs. 2 AsylG zu hinterfragen. Die sehr geringen Erfolgsaussichten im asylrechtlichen Zulassungsverfahren sprechen dafür, das Rechtsmittel der Berufung in Asylverfahren nicht mehr von einem Zulassungsantrag eines Beteiligten, sondern von einer vorherigen Zulassung durch das Verwaltungsgericht abhängig zu machen, wie dies in § 32 AsylVfG (Gesetz über das Asylverfahren [Asylverfahrensgesetz -AsylVfG] vom 16. Juli 1982, BGBl. I Seite 946) geregelt war.

Sofern eine mögliche Mehrbelastung des Bundesverfassungsgerichts befürchtet wird, könnte dieser Gefahr durch eine Beibehaltung des Zulassungsverfahrens in Bezug auf die Möglichkeit, Verstöße gegen die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG geltend zu machen, entgegengewirkt werden.