Panikmache beim Familiennachzug zu anerkannten Schutzsuchenden

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Im Wahlkampf überboten sich AfD und CDU/CSU damit, die Zahlen von Familienangehörigen, die im Wege des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten nach Deutschland gelangen würden, wenn der Familiennachzug nicht weiterhin ausgeschlossen würde, zu dramatisieren. So warnte die AfD im Wahlkampf vor „weiteren 2 Millionen Migranten ab 2018“ infolge des Familiennachzugs. Horst Seehofer (CSU) sprach während der Jamaika-Sondierungsverhandlungen von „Hundertausenden Personen“, um die es gehe. Sachsen-Anhalts CDU-Innenminister Horst Stahlknecht warnte davor, es könnten „noch einmal bis zu 800.000 Menschen kommen“.

Betrachtet man die nunmehr vorliegenden Zahlen, so wird erkennbar, dass die Wahlkampfaussagen haltlos übertrieben sind. Noch weniger wird verständlich, dass der Frage des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten eine Regierungsbildung scheitern konnte. Es handelt sich bei der Frage des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten wahrlich nicht um eine Schlüsselfrage der deutschen Politik, auch wenn die von der AfD vor sich hergetriebene CSU dies immer wieder beteuert.

Kommen wir zu den Fakten: Ende September 2017 lebten 176.889 Personen mit einem subsidiären Schutzstatus in Deutschland (124.707 von ihnen kamen aus Syrien, 16.335 aus dem Irak, 11.014 aus Afghanistan, 6.528 aus Eritrea; 60.085 waren unter 18 Jahre alt). 88.387 von ihnen erhielten diesen Status erstmalig im Jahr 2017. Ende 2015 lebten 15.441 Personen mit subsidiärem Schutzstatus in Deutschland (vgl. BT-Drs. 18/7800).

Zieht man von den 176.889 subsidiär Schutzberechtigten die Anzahl ab, die bereits vor dem Ausschluss des Familiennachzugs im März 2016 den Schutzstatus zuerkannt erhielten (15.441 Personen bis Ende 2015 zuzüglich der im ersten Quartal 2016 anerkannten subsidiär Schutzberechtigten mit Aufenthaltserlaubnis), so kann davon ausgegangen werden, dass etwa 160.000 subsidiär Schutzberechtige diesen Status nach Inkrafttreten des Asylpakets II (Mitte März 2016) erhalten haben und damit von der Aussetzung des Familiennachzugs bis März 2018 betroffen sind.

In welchem Umfang ist nun ein Familiennachzug zu erwarten? Zu anerkannten syrischen und irakischen Flüchtlingen, bei denen der Nachzug nicht beschränkt ist, liegen Zahlen zum Familiennachzug vor, aus denen sich ein Nachzugsfaktor pro anerkannter Person in Höhe von etwa 0,5 ergibt. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung kam aufgrund einer repräsentativen Befragung lediglich auf einen Faktor von 0,34 bei syrischen Flüchtlingen und rechnete deshalb mit einem zusätzlichen Familiennachzug zu subsidiär Geschützten in einer Größenordnung von 50.000 bis 60.000. Einen relevanten Familiennachzug zu afghanischen und eritreischen Flüchtlingen gibt es nicht.

Geht man von etwa 130.000 Personen mit einem subsidiären Schutzstatus aus Syrien und dem Irak nach Inkrafttreten des Asylpakets II aus, ergäbe sich bei einem Nachzugsfaktor von 0,5 eine Personenzahl von etwa 65.000 nachzugsberechtigten Familienangehörigen, bei einem Faktor 0,34 liegt die Zahl der zu erwartenden Familienangehörigen nur bei rund 44.000.

Unberücksichtigt bleiben hierbei Schutzsuchende, die bis Mitte März 2018 den subsidiären Schutzstatus zuerkennt erhalten. Auch können nicht die Personen einbezogen werden, die durch erfolgreiche Klage nachträglich erreichen, dass der subsidiäre Schutzstatus in einen Flüchtlingsstatus umgewandelt wird; dies war allein von Januar bis Mai 2017 in ca. 7.000 Fällen der Fall (vgl. BT-Drs. 18/13551, Frage 14a).

Angesichts dieser Zahlen ist dem Fazit von Ulla Jelpke uneingeschränkt zuzustimmen:

„Es leben derzeit etwa 140.000 Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak mit einem subsidiären Schutzstatus in Deutschland. Nach bisherigen Erfahrungen werden bis zu 70.000 Familienangehörige zu diesen schutzbedürftigen Personen nachziehen, wenn dies ab Mitte März 2018 wieder möglich ist. Wer vor diesem Hintergrund von Hunderttausenden oder gar Millionen von Menschen spricht, die nach Deutschland nachziehen könnten, betreibt unverantwortliche Hetze und Panikmache.“