BVerfG entscheidet im Eilverfahren gegen den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten

Anzeige Werbung Kanzleien Anzeige

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat 20. März 2018 erneut zum Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten entschieden und den Eilantrag einer Mutter aus Syrien abgelehnt, die zu ihrem 13-jährigen Sohn nach Deutschland nachziehen wollte (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats vom 20. März 2018, 2 BvR 1266/17).

Die Beschwerdeführer begehrten die vorläufige Erteilung eines Visums zum Elternnachzug zu einem minderjährigen subsidiär Schutzberechtigten, hilfsweise die Erteilung eines Visums aus dringenden humanitären Gründen. Sie wenden sich mittelbar gegen die Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG, mit der der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten befristet ausgesetzt wurde.

Mit dieser Regelung wurde der Familiennachzug zu Personen, denen subsidiärer Schutz im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zuerkannt worden ist, befristet ausgesetzt. Die Regelung des Familiennachzugs zu anerkannten Flüchtlingen blieb unverändert.

Das am 1. Februar 2018 vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten, mit dem die Aussetzung bis zum 31. Juli 2018 verlängert wird, ist am 16. März 2018 in Kraft getreten (BGBl I S. 342).

Der minderjährige syrische Flüchtling ist 13 Jahre alt und reiste im Sommer 2015 zusammen mit seinem Onkel - dem Bruder seiner Mutter - in die Bundesrepublik Deutschland ein. Auf seinen Asylantrag wurde ihm mit Bescheid vom 4. August 2016 subsidiärer Schutz zuerkannt. Über seine Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist soweit ersichtlich noch nicht entschieden worden. Seine Mutter, die in der Türkei lebt, ist dort erwerbstätig und hat zwischenzeitlich die türkische Staatsangehörigkeit erhalten. Zum Vater besteht seit frühester Kindheit kein Kontakt.

Der unmittelbar nach der Entscheidung über den Asylantrag des Sohnes gestellte Antrag der Mutter auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug wurde unter Hinweis auf § 104 Abs. 13 AufenthG abgelehnt. Nach Ausschöpfung des Rechtswegs haben Mutter und Sohn Verfassungsbeschwerde erhoben und beantragt, der Mutter im Wege der einstweiligen Anordnung ein vorläufiges Visum zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen.
Das Bundesverfassungsgericht kann einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist

Soweit es um die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug gemäß § 36 AufenthG geht, hält das Verfassungsgericht die Frage für offen und klärungsbedürftig. In der Hauptsache wäre voraussichtlich zu klären, ob die Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG, nach der ein Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten nicht gewährt wird, mit Art. 6 Abs. 1 GG in Einklang steht. In diesem Rahmen kann auch von Bedeutung sein, inwieweit Härtefällen durch die Erteilung von humanitären Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 22 Satz 1 AufenthG Rechnung zu tragen ist, insbesondere auch dann, wenn die besondere Härte durch Umstände in der Person des subsidiär Schutzberechtigten begründet wird. Dabei weist das Gericht darauf hin, dass das Verwaltungsgericht bereits in seiner ursprünglichen Entscheidung darauf hingewiesen hatte, eine tatsächliche Trennungszeit von fast drei Jahren liege wohl an der Grenze eines noch vertretbaren Zeitraumes.

Aufgrund der vorzunehmenden Folgenabwägung entschied sich das BVerfG dahingehend, dass die Mutter kein Visum erhält. Es führt insoweit aus:

„Würde zudem die einstweilige Anordnung, was hier allein in Betracht kommt, mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG begründet, so müsste dies jedenfalls für alle anderen Fälle des Elternnachzugs zu minderjährigen subsidiär Schutzberechtigten ebenso gelten, was im Ergebnis einer entsprechend weitgehenden Aussetzung des Vollzugs der gesetzlichen Regelung gleichkäme. Das Ziel des Gesetzgebers, „im Interesse der Integrationssysteme in Staat und Gesellschaft“ (vgl. BTDrucks 18/7538 S. 1) Einreisen der Familienangehörigen von subsidiär Schutzberechtigten in diesem Zeitraum gerade nicht zu ermöglichen, würde in diesem Umfang vereitelt. (…)
Auch wenn die jeweiligen Nachteile der abzuwägenden Folgenkonstellationen einander in etwa gleichgewichtig gegenüberstehen, verbietet es die mit Blick auf die Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) notwendige Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts, das angegriffene Gesetz auszusetzen, bevor geklärt ist, ob es vor der Verfassung Bestand hat …“.