Lebensunterhaltssicherung als Nachzugsvoraussetzung

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Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt des Ausländers im Bundesgebiet gesichert ist. Dies ist der Fall, wenn der Ausländer seinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel (z.B. SGB II-Leistungen, Sozialgeld, Grundsicherung, Sozialhilfe) bestreiten kann. Die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel kann bei der Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels dann unbeachtlich sein, wenn im Aufenthaltsgesetz die Sicherung des Lebensunterhalts ausdrücklich nicht verlangt wird.

Die Lebensunterhaltssicherung ist die wichtigste Voraussetzung, um die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu verhindern. Nach der ausdrücklichen Wertung des Gesetzgebers ist die Sicherung des Lebensunterhalts bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln im Aufenthaltsrecht als eine Voraussetzung von grundlegendem staatlichen Interesse anzusehen. Diese bereits im Ausländergesetz 1990 getroffene Wertung wurde durch die Neuregelung des Aufenthaltsrechts im Zuwanderungsgesetz generell noch verstärkt, indem die Sicherung des Lebensunterhalts nunmehr nicht nur bei der Erteilung von Titeln zum Daueraufenthalt, sondern für alle Aufenthaltstitel in der Regel verlangt wird.

Die Fähigkeit zur Bestreitung des Lebensunterhalts ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel darf nicht nur vorübergehend sein. Die zur Verfügung stehenden Mittel müssen eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Es bedarf daher einer positiven Prognose, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert ist. Demnach ist eine Prognoseentscheidung zu treffen, ob die öffentlichen Haushalte durch die Pflicht, den Lebensunterhalt des Ausländers zu sichern, nur vorübergehend belastet werden. Bei der Abschätzung der dauerhaften Sicherung des Lebensunterhalts kann auch eine rückschauende Betrachtung erfolgen.

Der Lebensunterhalt ist bereits dann nicht gesichert, wenn ein Anspruch auf (aufstockende) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuchs (SGB) Zweites Buch (SGB II) besteht. Ob die Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen werden, ist nach dem gesetzgeberischen Regelungsmodell unerheblich. Dies lässt sich zwar nicht schon aus dem Wortlaut der Vorschrift herleiten. Denn die Formulierung, der Ausländer müsse seinen Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten "können", scheint darauf hinzudeuten, dass nur der tatsächliche Bezug von Sozialleistungen schädlich ist. Der Sinn und Zweck der Regelung besteht jedoch darin, neue Belastungen für die öffentlichen Haushalte zu vermeiden, sodass allein die Möglichkeit, Sozialleistungen zu beziehen, der Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel entgegensteht. Dies spricht dafür, dass im Falle eines voraussichtlichen Anspruchs auf öffentliche Mittel – sofern sie nicht ausdrücklich unschädlich sind – der Lebensunterhalt nicht als gesichert angesehen werden kann, da dann auch eine Inanspruchnahme dieser Mittel zu erwarten oder jedenfalls nicht auszuschließen ist.

Die Feststellung der Sicherung des Lebensunterhalts erfordert einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit den tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln. Dabei richten sich sowohl die Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens als auch der Unterhaltsbedarf bei erwerbsfähigen Ausländern und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, seit dem 1. Januar 2005 grundsätzlich nach den entsprechenden Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs (SGB) Zweites Buch (SGB II).

Zu einer Bedarfsgemeinschaft gehören:

  • der oder die erwerbsfähige Hilfebedürftige,
  • der Ehepartner, der eingetragene Lebenspartner oder eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen,
  • die im Haushalt lebenden eigenen Kinder und die Kinder des Partners, solange sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und unverheiratet sind und kein ausreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen haben,
  • die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten, erwerbsfähigen Kindes, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils.

Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen wird zum Beispiel vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben, oder mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, oder Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen, oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des Anderen zu verfügen.
Die Bedarfsgemeinschaft ist von der Haushaltsgemeinschaft zu unterscheiden. Zu einer Haushaltsgemeinschaft zählen Personen, die zusammen in einem Haushalt leben. Das ist auch bei der Bedarfsgemeinschaft der Fall; der Begriff der Haushaltsgemeinschaft ist aber weiter.

Bestimmte Sozialleistungen können bezogen werden, ohne dass dies für einen Aufenthaltsanspruch schädlich ist. Hierzu gehören: Kindergeld, Kinderzuschlag, Erziehungsgeld oder Elterngeld, BAföG. Außerdem dürfen öffentliche Mittel, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, zur Sicherung des Lebensunterhalts eingesetzt werden. Dazu gehören z.B. Leistungen aus der Kranken- oder Rentenversicherung und das Arbeitslosengeld I (ALG I).

Für den Familiennachzug gelten aufgrund des Unionsrechts Sonderregelungen. Hier ist es möglich, dass ein Bezug von Sozialleistungen ausnahmsweise unschädlich ist. So darf bei der Einkommensberechnung der Freibetrag für Erwerbstätigkeit nicht zu Lasten des nachzugswilligen Ausländers von seinem Einkommen abgezogen werden. Denn dieser Freibetrag wird in erster Linie aus arbeitsmarkt- bzw. beschäftigungspolitischen Gründen gewährt und soll eine Anreizfunktion zur Aufnahme bzw. Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit haben, nicht aber einen Mangel an ausreichenden festen und regelmäßigen Einkünften im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgleichen.

Kann ein Ausländer den Lebensunterhalt nicht decken, kann ausnahmsweise ein Aufenthaltstitel erteil werden, wenn eine familiäre Lebensgemeinschaft nur im Bundesgebiet verwirklicht werden kann. Ist einem Mitglied der aus Eltern und ihren minderjährigen Kindern gebildeten Kernfamilie ein Aufenthalt im Ausland zur Fortführung der Lebensgemeinschaft nicht möglich oder zumutbar, kommt dem Interesse der Familie, die Lebensgemeinschaft gerade im Bundesgebiet zu führen, besonderes Gewicht zu. Die Beziehung zwischen Eltern und minderjährigen Kindern unterfällt zudem dem Schutz des Art. 8 EMRK. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) garantiert aber auch die Konvention kein Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Staat einzureisen und sich dort aufzuhalten.

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