Wann gilt das neue Asylrecht? - Chaos bei den Übergangsvorschriften!

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Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) wirft seinen Schatten voraus. Was bedeutet dies für die Praxis? Die Beantwortung der Frage, wann das neue Recht anzuwenden ist, und ob auch anhängige Altverfahren erfasst werden, macht erhebliche Probleme. Zum einen gelten die maßgeblichen neuen EU-Verordnungen zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten, dem 12. Juni 2026 und dem 1. Juli 2026. Zum anderen scheint der Gesetzgeber die Übergangsvorschriften falsch zu verstehen.

Um ein wenig Klarheit in die verworrene Situation mit den Übergangsvorschriften des GEAS zu bringen, hier eine kurze Darstellung des Problems.

Es gilt, zwei Bereiche zu unterscheiden:

  • normale Asylverfahren (einschließlich beschleunigter Verfahren und Grenzverfahren) und
  • Dublin-Verfahren.

Normale Asylverfahren

Bei den normalen Asylverfahren bestimmt die nationale Übergangsvorschrift des § 87e Abs. 1 Satz 1 AsylG-E zunächst:

„Für die Durchführung des Asylverfahrens zur Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit von Asylanträgen gilt Artikel 79 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2024/1348.“

Art. 79 Abs. 3 AsylVf-VO bestimmt:

"Diese Verordnung gilt für das Verfahren für die Zuerkennung des internationalen Schutzes in Bezug auf Anträge, die ab dem 12. Juni 2026 eingereicht werden. Anträge auf internationalen Schutz, die vor diesem Tag eingereicht wurden, unterliegen der Richtlinie 2013/32/EU. Diese Verordnung gilt für das Verfahren zum Entzug des internationalen Schutzes, wenn die Überprüfung zum Entzug des internationalen Schutzes ab dem 12. Juni 2026 begonnen wurde. Wurde die Überprüfung zum Entzug des internationalen Schutzes vor dem 12. Juni 2026 begonnen, so unterliegt das Verfahren zum Entzug des internationalen Schutzes der Richtlinie 2013/32/EU."

Damit ist die Übergangsregelung für die verfahrensrechtlichen Vorschriften hinreichend klar: Wir werden das bisherige AsylG so lange anwenden, bis die Bearbeitung von Anträgen erfolgt, die nach dem 12. Juni eingereicht werden. Für Altfälle bleibt es bei den Verfahrensvorschriften des bisherigen AsylG a.F.

Hinsichtlich der normalen Asylverfahren bestimmt die nationale Übergangsvorschrift des § 87e Abs. 1 Satz 2 AsylG-E weiter:

"Diese Regelung gilt auch hinsichtlich des Asylgesetzes in der Fassung bis zum … [einsetzen: Tag des Inkrafttretens nach Artikel 13 Absatz 2 dieses Gesetzes] und für die Prüfung der Asylberechtigung und der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes im Rahmen des Asylverfahrens."

Außerdem bestimmt § 87e Abs. 2 AsylG-E:

„In Übereinstimmung mit den Artikeln 1 und 79 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2024/1348 findet die Verordnung (EU) 2024/1347 für die Prüfung nach diesem Gesetz Anwendung in Bezug auf Anträge, die ab dem 12. Juni 2026 eingereicht werden.“

Mit dieser Regelung scheint der Gesetzgeber auch die materiellen Kriterien für die Bestimmung des internationalen Schutzes nach dem GEAS auf Fälle beschränken zu wollen, die am 12. Juni 2026 eingereicht werden.

Dies ist aber fehlerhaft, da die Anerkennungs-VO/Status-VO anders als die AsylVf-VO keine Übergangsbestimmung vorsieht. Sie sollte zwar nach Art. 42 ursprünglich ab dem 1. Juli 2026 gelten, dieses Datum ist aber durch die Berichtigung vom 11.06.2025 auf den 12. Juni 2026 vorverlegt worden.

Folge: Die materiellen Vorschriften der Anerkennungs-VO/Status-VO gelten auch für bereits anhängige Asylanträge, die vor dem 12. Juni 2026 eingereicht wurden. Das AsylG a.F. ist ab dem 12. Juni 2026 in Bezug auf diese materiellen Regelungen nicht mehr anwendbar! Daher können die materiellen Vorschriften des AsylG a.F. zur Umsetzung der Anerkennungs-RL, insbesondere die §§ 3-4 AsylG a.F., nicht mehr angewendet werden. An ihre Stelle treten die Artikel der Anerkennungs-VO/Status-VO.

Dublin-Fälle

Damit es nicht zu einfach wird, gilt die Aufteilung zwischen Verfahrensvorschriften und materiellen Vorschriften nicht für Dublin-Fälle. Denn die Asyl- und Migrationsmanagement-VO sieht in Art. 85 vor, dass die VO ab dem 1. Juli 2026 gilt.

Wichtig ist hier Art. 84 Abs. 2 der Asyl- und Migrationsmanagement-VO:

„Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor dem 1. Juli 2026 registriert wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EU) Nr. 604/2013."

Die Asyl- und Migrationsmanagement-VO regelt hinsichtlich der materiellen Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats mithin, dass für Altfälle, die vor dem 1. Juli 2026 registriert wurden, das alte Recht nach der Dublin III-Verordnung anwendbar bleibt.  Die Beschränkung auf materielle Kriterien kann nur bedeuten, dass sich die verfahrensrechtlichen Regelungen für Altfälle, die vor dem 1. Juli 2026 registriert wurden, nach dem neuen Recht richten.

Folge: In Dublin-Fällen gelten für die Bearbeitung von Altfällen die materiellen Kriterien des bisherigen Rechts und das Verfahren richtet sich ab dem 1. Juli 2026 für alle Dublin-Fälle nach neuem Recht.

19.11.2025
Dr. Dienelt