Zur Dauer und Verlängerung der Freiheitsentziehung

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Nach § 425 bestimmt sich Dauer und Verlängerung der Freiheitsentziehung. Die Verlängerungsentscheidung ist nicht mehr von Amts wegen möglich, sondern nur auf Antrag (vgl. auch Jennissen, in: Prütting/Helms, FamFG, § 425 Rn. 1). Die Höchstdauer von bis zu einem Jahr ist gegenüber abweichenden gesetzliche Fristen und Grenzen, die einer Ausschöpfung der möglichen Haftdauer aufgrund der Verlängerungsentscheidung entgegenstehen subsidiär (so etwa § 62 Abs. 1, § 62 Abs. 2 Satz 2 (2 Wochen; „kleine Sicherungshaft“), Abs. 2 Satz 4, § 62 Abs. 3 (6 Monate, in Ausnahmefällen 12 Monate); § 14 Abs. 3 AsylVfG; § 42 Abs. 1 Nr. 3 BPolG, etc.; vgl. ausführlich in Bumiller/Harders, FamFG, § 425 Rn. 5ff.).

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Für die Verlängerung der Freiheitsentziehung gelten die Vorschriften über die erstmalige Anordnung entsprechend. In Abweichung zum bisherigen Recht (§ 9 Abs. 1 FEVG) darf das Gericht eine angeordnete Freiheitsentziehung nicht mehr von Amts wegen verlängern. Jeder Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags - in gleicher Weise zu begründen ist auch der Antrag der Behörde auf Verlängerung einer bereits angeordneten und vollzogenen Sicherungshaft (BGH, B. v. 28.04.2011 – V ZB 252/10 –, bei Winkelmann). Jede Entscheidung der zuständigen Behörde bedarf der schriftlichen Entscheidung unter Angabe der tatsächlichen und rechtlichen Gründe (EuGH, U. v. 05.06.2014 Rs. C-146/14 PPU "Mahdi" zu Art. 15 Abs. 3 u. 4 RüFü-RL).

icon BGH – V ZB 252/10 – B. v. 28.04.2011

Enthält der Haftverlängerungsantrag eine Bezugnahme auf die Begründung des Haftantrags, so ist - wenn dieser dem Betroffenen nicht ausgehändigt wurde - die Entscheidung über die Haftverlängerung (ebenfalls) ohne eine ordnungsgemäße Anhörung des Betroffenen (§ 420 Abs. 1 Satz 1) ergangen. Für diese ist es erforderlich, dass der Betroffene vor ihrem Beginn alle schriftlichen Anträge und Stellungnahmen der Behörde in Abschrift erhalten hat, damit er in diese einsehen und die von der Behörde für seine Inhaftierung vorgebrachten Gründe - gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts - in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüfen kann (BGH, B. v. 14.06.2012 – V ZB 281/11 –; BGH, B. v. 11.10.2012 – V ZB 232/11 –, juris; BGH, B. v. 06.12.2012 – V ZB 224/11 –, bei Winkelmann, a.a.O.).

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Für Diskussionen sorgt § 416 S. 2 FamFG (siehe dort), der das Gericht für die Entscheidung für zuständig erklärt, in dessen Bezirk sich der Betroffene zum Zeitpunkt der Entscheidung der Haft befindet. Die Bedeutung war und ist ggf. immer noch nicht ganz geklärt. An der bisherigen Auffassung, dass es einer Abgabeentscheidung nach § 106 Abs. 2 S. 2 AufenthG nicht mehr bedürfe, wird diesseits nicht mehr festgehalten (so aber Hoppe, ZAR, 7/2009, S. 209 f.). Siehe dazu ausführlich in der Kommentierung „Die Zuständigkeit der Gerichte bei Abgabeentscheidungen nach § 106 Abs. 2 S. 2 AufenthG“ bei Winkelmann (Auszug):

Die Vorschrift knüpft inhaltlich an den bisherigen § 4 Abs. 1 FEVG an. Der Gerichtsstand des Satzes 2 ist aus Gründen der Zweckmäßigkeit in der Regel vorrangig gegenüber denen des Satzes 1 (OLG Hamm, FGPrax 2006, 183, 184; Saage/Göppinger, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 2. Aufl. 1975, Rn. 8 zu § 8); Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 416, S. 291, Drs. 16/6308 vom 07.09.2007).
Nach Auslegung von Sinn und Zweck dieser Bestimmung - die in ihrem Wortlaut bereits in § 4 Abs. 1 FEVG enthalten war - und im Einklang mit der Grundnorm in § 2 Abs. 2 muss davon ausgegangen werden, dass die einmal begründete Zuständigkeit auch dann unangetastet bleibt, wenn der Betroffene aufgrund erfolgter richterlicher Anordnung in eine geschlossene Einrichtung im Bezirk eines anderen Gerichts verlegt wird. Insoweit lässt sich nicht erkennen, dass der Gesetzgeber hiermit etwas Neues bestimmt hat. Vielmehr wird durch den Satz „Befindet sich die Person bereits in Verwahrung einer abgeschlossenen Einrichtung, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Einrichtung liegt“ nach diesseitigem Verständnis lediglich ausgedrückt, dass es im Rahmen der o.g. Zweckmäßigkeitserwägung z.B. wegen der Prüfung der Anordnung einer anderen Haftart, Anschluss- oder Überhaft zu keiner Verlegung in einen anderen Gerichtsbezirk kommen muss.

icon Zur Zuständigkeit der Gerichte bei Abgabeentscheidungen nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG

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Eine Haftfortdauerentscheidung ist am schnellsten und unter Berücksichtigung der regelmäßig durchzuführenden persönlichen Anhörung des Betroffenen am ehesten sachgerecht an dem Ort zu treffen, an dem sich der Betroffene zum Zeitpunkt der gerichtlichen Befassung unter den Bedingungen fortbestehender Freiheitsentziehung aufhält (OLG Hamm, B. v. 01.06.2010 – 15 Sbd 2/10 –, bei Winkelmann, a.a.O.). Für die Abschiebungshaft gilt indes Art. 106 Abs. 2 S. 2 AufenthG. Es handelt sich um eine Sondervorschrift zu der allgemeinen Vorschrift des § 4 FamFG über die Möglichkeit der Abgabe des Verfahrens aus wichtigem Grund, die nunmehr auch für Freiheitsentziehungssachen nach den §§ 415 ff. FamFG gilt, so das OLG Hamm, a.a.O.). Ein Zuständigkeitswechsel in Abschiebungshaftsachen richtet sich also - wie bisher auch schon - insoweit weiterhin nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, das diesbezüglich das speziellere Gesetz ist. Diese Norm stellt eine Ausnahme der perpetuatio fori dar.

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Bei Wegfall des Grundes ist die Freiheitsentziehung von Amts wegen aufzuheben (§ 426), ebenso bei gesetzlichem Fristende ungeachtet der Beschlusslage (s.o. Rn. 1), ansonsten auch auf Antrag der Beteiligten durch das Gericht.
Der antragstellenden Behörde, die auch für den Vollzug zuständig ist, obliegt die Fristenkontrolle von Amts wegen. Das Gericht ist von der Entlassung zu benachrichtigen (Abs. 2 Satz 2).

Die Haft darf nicht aufrechterhalten werden, wenn sich im Beschwerdeverfahren ergibt, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme innerhalb des angeordneten Haftzeitraums nicht mehr durchgeführt werden kann (BGH, B. v. 10.04.2014 – V ZB 110/13 –, juris). Eine mögliche, aber (noch) nicht angeordnete Haftverlängerung ist dabei nicht zu berücksichtigen. Die Aufrechterhaltung der angeordneten Sicherungshaft bis zu der Entscheidung über eine Haftverlängerung ist nämlich nicht zulässig. Sie diente dann nicht mehr unmittelbar der Sicherung der Maßnahme. Eine nur mittelbare Sicherung dieses Zwecks sieht das Gesetz
nicht vor (vgl. BGH, B v. 21.03.2013 – V ZB 122/12 –, juris Rn. 9).

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Zu den Problemen der Fristbestimmung und -berechnung sowie zur Überhaft, siehe § 421, Rn. 5, 6.

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