Mit dem Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht hat der Gesetzgeber einenuntauglichen Versuch zur Missbrauchseindämmung bei Scheinvaterschaften vorgenommen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Anfechtungsmöglichkeit bei einer Scheinvaterschaftsanerkennung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB für verfassungswidrig und damit nichtig erklärte, wurde das Thema überraschend in dem Bericht und der Beschlussempfehlung des Innenausschusses vom 17.5.2017 wieder aufgenommen. Die Neuregelung kam deshalb überraschend, weil der Entwurf des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom Januar 2017 keinerlei Regelung in Bezug auf die Bekämpfung von Scheinvaterschaften vorsah.
Die nunmehr ohne Beteiligung von Fachleuten in den Ausschussberatungen eingefügte Neuregelung weist gravierende Mängel auf, so dass zu erwarten steht, dass die Vorschrift in der Praxis weitgehend leerläuft.
Mit der Neuregelung in § 85 Buchst. a AufenthG sowie in § 1597 Buchst. a Abs. 1 BGB verfolgt der Gesetzgeber einen präventiven Ansatz zur Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen. Er regelt mit § 1597 Buchst. a Abs. 1 BGB nicht die Nichtigkeit, d.h. Unwirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft nach § 134 BGB wegen eines Gesetzesverstoßes, sondern führt ein spezielles Verfahren ein, das durch die Ausländerbehörde durchgeführt werden soll.
Voraussetzung dieses neuen Verwaltungsverfahrens ist die Aussetzung der Beurkundung und Vorlagepflicht durch die beurkundende Behörde oder Urkundsperson. § 1597 Buchst. a Abs. 2 S. 2 BGB enthält in einer nicht abschließenden („insbesondere“) Aufzählung Tatbeständen, die für das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte einer missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft Indizien sein sollen. Der Gesetzgeber verkennt bei der Neuregelung jedoch das naheliegende Problem, auf welchem Weg die Urkundsperson überhaupt feststellen kann, das Anzeichen für eine Scheinvaterschaft vorliegen. Denn die Regelung des § 1597 Buchst. a Abs. 1 BGB findet keine Anwendung falls es sich um das leibliche Kind des Mannes handelt, der die Vaterschaft anerkennen möchte. Bevor also die Missbrauchstatbestände überhaupt zur Anwendung gelangen, muss die Urkundsperson die Feststellung treffen, dass der die Vaterschaft anerkennende Mann nicht der leibliche Vater des Kindes ist. Dabei besteht das Problem, dass die Urkundsperson nicht etwa die allgemeine Pflicht hat, vor jeder Vaterschaftsanerkennung unter Ausländerbeteiligung nach der Erzeugerschaft des Mannes zu fragen. Was soll die Urkundsperson daher machen, wenn die erschienenen Beteiligten erklären, die Erzeuger des Kindes zu sein? Hier enthält der Gesetzestext keinerlei Hilfestellungen, um dem naheliegenden Problem Rechnung tragen zu können. Insbesondere ist es der Urkundsperson nicht möglich, die Amtshandlung von einem vorherigen DANN-Test abhängig zu machen.
Der Gesetzgeber scheint daher völlig praxisfern darauf zu vertrauen, dass die Mutter oder der die Vaterschaftsanerkennung betreibende Mann erklären, dass es nicht das eigene Kind sei, für das die Vaterschaft anerkannt werden soll. Dass dieses Verhalten lebensfremd ist, bedarf keiner näheren Darlegung. Insofern ist kaum zu erwarten, dass die Anzahl der eingeleiteten Verwaltungsverfahren zur Feststellung einer möglichen Scheinvaterschaft sehr zahlreich sein werden.
Völlig ungeregelt bleibt auch eine naheliegende Tatbestandskonstellationen. Sollte der Urkundsbeamte tatsächlich einmal in die Verlegenheit kommen, dass er Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung als gegeben ansieht, weil die Mutter oder der die Vaterschaftsanerkennung betreibende Mann entsprechende Informationen preisgegeben, so könnte das Verfahren recht einfach sein Ende finden. Denn es besteht die Möglichkeit, dass die Beteiligten im Hinblick auf das drohende Verfahren bei der Ausländerbehörde erklären, endgültig von einer Anerkennung der Vaterschaft Abstand nehmen zu wollen. Zu einer derartigen Erklärung wird es jedenfalls dann kommen können, wenn die Urkundsperson im Rahmen der ihr auferlegten Amtsermittlung eine Befragung der Mutter und des Mannes vornimmt und dabei erkennen lässt, den Vorgang an die Ausländerbehörde zur weiteren Prüfung abgeben zu wollen. Sollte das Vaterschaftsanerkennungsverfahren beendet werden, so hätte die Urkundsperson keinerlei Möglichkeit, die Ausländerbehörde von dem Sachverhalt zu informieren oder in anderer Weise zu verhindern, dass von einer anderen beurkundenden Stelle eine Eintragung der Vaterschaft erfolgt. Denn die Mutter und der Mann haben ohne weiteres die Möglichkeit, eine andere Urkundsperson eines anderen Jugendamtes aufzusuchen, um dort erneut ihr Glück zu versuchen.
Eine allgemeine Informationspflicht gegenüber der Ausländerbehörde oder dem Standesamt des Geburtsortes des Kindes in Hinblick auf den zurückgenommenen Beurkundungswunsch ist im Gesetz nicht vorgesehen. Da die Urkundsperson gegenüber den Beteiligten der Verschwiegenheitspflicht unterliegt, ist es ihr nicht möglich, die gewonnenen Erkenntnisse weiterzugeben. Bereits dies zeigt, dass die Neuregelung jedenfalls dann leerläuft, wenn die Beteiligten durch die Erklärung, von der Anerkennung der Vaterschaft endgültig Abstand nehmen zu wollen, dem Verfahren von vornherein die Grundlage entziehen.
Die Neuregelung eines Verfahrens zur Vermeidung von Scheinvaterschaften lässt deutlich erkennen, was passiert, wenn praxisferne Juristen des Innenministeriums einen Gesetzentwurf ohne Öffentlichkeitsbeteiligung formulieren. Es steht daher zu erwarten, dass die Neuregelung noch einige Änderungen erfahren wird, um überhaupt praxistauglich zu sein.
Mainz, 14.08.2017