Zur Problematik der Haft bei Minderjährigen.

Richtet sich die Anordnung zur Sicherung der Abreise gegen einen Minderjährigen, muss der Richter grundsätzlich von Amts wegen prüfen, ob dessen altersgerechte Unterbringung im Transitbereich des Flughafens oder in der sonstigen Unterkunft gewährleistet und der über 30 Tage hinausgehende Aufenthalt dort auch im Übrigen noch verhältnismäßig ist.

Zu den Anforderungen an die Haftunterbringung von Jugendlichen nach § 62a AufenthG

  1. Ausweislich des Protokolls der Anhörung wurde der Betroffenen zu Beginn der Anhörung der Haftantrag bekanntgegeben. Dies ist zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht ausreichend. Die Betroffene war in der Anhörung nicht in der Lage, zur Begründung des Haftantrages ausreichend Stellung zu nehmen. Für die ausreichende Gewährung rechtlichen Gehörs Ist es erforderlich, der Betroffenen den vollständigen Haftantrag zu übersetzen und auszuhändigen und damit den gesamten Antragsinhalt bekannt zu machen.
  2. Die Betroffene war nach ihren eigenen Angaben, die in der Stellungnahme der JVA München bestätigt wurden, in einer Zelle gemeinsam mit Untersuchungshäftlingen untergebracht. Die Vollziehung der Haft war daher unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.

Das Festhalten von Kindern in einem für Erwachsene konzipierten Transitzentrum stellt eine unmenschliche Behandlung dar.

Es spielt dabei keine Rolle, ob die Kinder von einem Elternteil begleitet werden oder nicht.

Haft einer 5-jährigen

Der Gerichtshof urteilt einstimmig, dass bei einer Mutter aufgrund der Inhaftierung ihrer 5-jährigen Tochter in Belgien eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorliegt.
Bei der Tochter liegt wegen ihrer Inhaftierung und ihrer Abweisung eine Verletzung von Artikel 3 EMRK vor. Zudem wird bei beiden Beschwerdeführerinnen eine Verletzung von Artikel 8 EMRK festgestellt und bei der Tochter eine Verletzung von Art. 5 Abs.1 und 4 EMRK.
Gemäß Artikel 41 EMRK wird als Wiedergutmachung der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zugesprochen.
Der belangte Staat Belgien hat den Beschwerdeführerinnen 35.000,-€ für den immateriellen Schaden und 14.036,-€ für Kosten und Auslagen zu zahlen.
Bei minderjährigen Ausländern kommt der Anordnung von freiheitsentziehenden Maßnahmen zur Sicherung der Abschiebung / Zurückschiebung / Zurückweisung wegen deren besonderer Schutzbedürftigkeit und der Schwere des Eingriffs ganz besondere Bedeutung zu. In einem solchen Fall sind daher sowohl an das Beschleunigungsgebot als auch an die Verhältnismäßigkeit erhöhte Anforderungen zu stellen. Die Voraussetzungen für eine Haftanordnung sind regelmäßig nicht gegeben, wenn die haftantragstellende Behörde nicht darlegt, warum mildere Mittel als Haft zur Sicherung der zwangsweisen Ausreise nicht in Frage kommen.
Die Kommentierung bezieht sich auf die Entscheidungen des

  • OLG Köln  16 Wx 164/02  Beschl. v. 11.09.2002
  • KG Berlin  25 W 64/04  Beschl. v. 18.03.2005;  25 W 66/05  Beschl. V. 14.10.2005
  • OLG Frankfurt/Main  20 W 245/04  Beschl. v. 30.08.2004;  20 W 565/05  Beschl. V. 12.01.2006;  20 W 124/06  Beschl. v. 15.05.2006
  • OLG München  34 Wx 045/05  Beschl. v. 28.04.2005;  34 Wx 037/05  Beschl. v. 09.05.2005;  34 Wx 121/07  Beschl. V. 13.11.2007
  • OLG Zweibrücken  3 W 36/06  Besch. V. 06.03.2006
  • LG Braunschweig - 3 T 1065/08, 3 T 464/09 - Besch. v. 30.12.2009
  • BGH - V ZB 233/10 - Beschl. v. 29.092010
Stand: 20.11.2010
Die Anordnung gegen eine erst zwölf Jahre alte Betroffene der Unterbringung zur Sicherung der Abreise gemäß § 15 Abs. 6 AufenthG im Transitbereich eines Flughafens für die Dauer von drei Monaten wäre unverhältnismäßig.
Daran ändert auch nichts, dass der Aufenthalt nicht in einer Haftanstalt und auch nicht in der Asylbewerberunterkunft am Flughafen (…), sondern in einem (…) Kinderheim angeordnet werden soll.