Abschiebehaft - Praxis und Kritik - Probleme

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Probleme der Abschiebungshaft

Die im Zusammenhang mit der Abschiebungshaft und dem sonstigen Festhalten von Ausländern entstehenden Probleme haben unterschiedliche Ursachen und sind je nach Fallgestaltung unterschiedlicher Natur. Die hier zutage tretenden rechtsstaatlichen und praktischen Defizite können nicht einfach schlagwortartig mit einem oder mehreren Begriffen umschrieben werden. Sie bedürfen vielmehr der näheren Untersuchung. Haft zur zwangsweisen Durchsetzung der Ausweisung, Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung von Flüchtlingen und anderen Ausländern ist nach Voraussetzungen und Dauer gesetzlich so umfassend im Einzelnen geregelt, dass deren Anordnung und Verlängerung von den dafür zuständigen Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit (also Amtsgericht usw.) rechtsstaatlich einwandfrei gehandhabt werden können.  Dabei ist zu beachten, dass die Ausländerbehörde die Haft oder deren Verlängerung zu beantragen hat, also die eigentliche Herrin des Verfahrens ist und letztlich allein die Verantwortung trägt. Gleichwohl vorkommende Fehlentscheidungen (Überschreiten der Fristen, Nichtbeachtung der tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung auf längere als dreimonatige Sicht, unzureichende Förderung des Abschiebungsverfahrens durch die Ausländerbehörde u.a.) können und müssen im Rechtsweg - und im Übrigen auch durch das Bundesverfassungsgericht - korrigiert werden. Soweit die Rechtsprechung in der Vergangenheit die Voraussetzungen des § 57 AuslG im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einengend ausgelegt hat, muss es dabei auch für § 62 AufenthG bleiben. Ungeachtet dessen erscheint es notwendig, eine einheitliche Behandlung von Kindern und Jugendlichen sowie anderen schutzbedürftigen Personen zu gewährleisten.   Das Festhalten im Flughafenverfahren betrifft lediglich auf dem Luftweg anreisende Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten oder ohne gültige Passpapiere. Dieses Festhalten wird vom Bundesverfassungsgericht weder als Freiheitsentziehung noch als Freiheitsbeschränkung verstanden, weil dem Ausländer kein allgemeines Einreise- und Aufenthaltsrecht zustehe und er an der Wiederausreise nicht gehindert sei.  Infolgedessen unterliegt das Festhalten am Flughafen nach dieser Ansicht nicht den verfassungsrechtlichen Regeln über Entzug und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie den Vorschriften über Abschiebungs- und Zurückweisungshaft. Ob an dieser rechtlichen Bewertung auch nach Erlass der EU-Asylverfahrens-Richtlinie  festgehalten werden könnte, erscheint nicht sicher.  Nach Art. 17 II der Richtlinie stellen nämlich die Mitgliedstaaten, wenn ein Asylbewerber in Gewahrsam genommen wird, sicher, dass eine rasche gerichtliche Überprüfung des Gewahrsams möglich ist. Legt man die Entscheidung des EGMR in der Sache Amuur  zugrunde, kann gegen den freiheitsbeschränkenden Charakter des Festhaltens am Flughafen (in dem entschiedenen Fall: in einer Transitzone) nicht eingewandt werden, den Flüchtlingen stehe die Möglichkeit der Rückreise offen.
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Während des Asylverfahrens ist die Dauer des Festhaltens am Flughafen gesetzlich auf längstens 19 Tage beschränkt, für den anschließenden Verbleib im Transitbereich bis zum Vollzug der Zurückweisung gibt es keine derartige Begrenzung. Die vom Bundesverfassungsgericht vertretene Ansicht, das Festhalten am Flughafen sei nicht als Freiheitsbeschränkung zu werten, gilt nach einer weit verbreiteten Ansicht auch für das Festhalten über die reguläre Dauer des Flughafenverfahrens hinaus in den Fällen, in denen die Zurückweisung scheitert, weil etwa die Identität nicht geklärt ist, gültige Passpapiere fehlen oder der Heimat-, der Abflug- oder der Zwischenlandestaat die Rücknahme aus anderen Gründen verweigern. Insgesamt wird die Zulässigkeit des Festhaltens aus dem Zweck des Zurückweisungsverfahrens, die Einreise zu verweigern, gefolgert. An einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage hierfür fehlt es. Über die Verpflichtung, entsprechende Räume vorzuhalten, den Aufenthalt zu organisieren und die jeweiligen Kosten zu tragen, wird zwischen Bund, Land (vor allem Hessen) und Flughafenbetreiber seit Jahren gestritten. Für die Durchführung von Abschiebungs-, Zurückweisungs- und Zurückschiebungshaft gibt es ebenso wenig gesetzliche Regeln wie für das Festhalten am Flughafen. In der Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Ausländergesetzes (AuslG-VwV)  sind die Voraussetzungen für Anordnung und Verlängerung von Abschiebungshaft näher umschrieben. Dort ist etwa auch bestimmt, dass Personen unter 16 und über 65 Jahre sowie Schwangere und Mütter während der Mutterschutzzeiten nicht in Haft genommen werden sollen (Nr. 57.0.3). Andererseits ist darauf hingewiesen, dass für Ausgang, Beurlaubung, Freigang aus der Haft oder Unterbringung im offenen Vollzug angesichts des Gesetzeszwecks kein Raum ist (Nr. 57.0.4). Mangels eines dem Strafvollzugsgesetz ähnlichen Normengefüges sind im Übrigen Grundsätze wie Einzelheiten des Vollzugs nicht festgelegt. Insbesondere fehlen Vorschriften über Zuständigkeiten, über Einrichtung, Organisation, Verwaltung und Ausstattung der Einrichtungen, über Versorgung, Beschäftigung und „Freizeitaktivitäten“ der Inhaftierten sowie über Besuchs-, Brief-, Telefon- und sonstigen Verkehr mit der Außenwelt. Daher sind Ausländer im Flughafentransitraum, aber auch in der Abschiebungshaftanstalt in allen diesen Bereichen wesentlich schlechter gestellt als Untersuchungs- oder Strafgefangene, obwohl ihnen nichts anderes vorzuwerfen ist, als dass sie ihrer Ausreisepflicht nicht von selbst nachkommen wollen. Der Aufenthalt in den künftig gesetzlich ausdrücklich zugelassenen Ausreiseeinrichtungen (§ 61 AufenthG) ist nicht freiwillig. Vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer können durch Auflagen dazu angehalten werden, sich in eine derartige Einrichtung zu begeben und dort Wohnung zu nehmen. Insofern unterscheiden sie sich von den vor einigen Jahren modellhaft betriebenen Unterkünften, in die ausreisepflichtige Ausländer freiwillig, wenn auch auf Anraten der Ausländerbehörden eingezogen sind, die sich aber dennoch nicht bewährt haben. Gleichwohl handelt es sich um keine haftähnliche Unterbringung, weil die persönliche Bewegungsfreiheit nicht nach jeder Richtung hin aufgehoben ist. Daher bedarf es für die Einweisung auch keiner richterlichen Anordnung.