Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 5. März 2018 (Az.: 9 B 56/19) einer Bulgarin die Berufung auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit versagt, weil eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergab, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Freizügigkeitsregelung nicht erreicht wurde. Denn die Betroffene habe in der Absicht handelte, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass sie die Voraussetzungen für die Freizügigkeit als Arbeitnehmer willkürlich herbeigeführt habe, um ergänzende Sozialhilfe zu erlangen.
Das Unionsrecht findet bei missbräuchlichen Praktiken keine Anwendung. Ein derartiger Missbrauch sah der Gerichtshof gegeben, weil die Bulgarin in der Absicht gehandelt habe, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass sie die Voraussetzungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit willkürlich geschaffen habe, um Sozialleistungen beziehen zu können. Die gebotene Gesamtschau zur Prüfung des Vorliegens von Freizügigkeit sei nicht nur auf die formale Prüfung des Vorliegens der Arbeitnehmereigenschaft beschränkt, sondern hat sämtliche Gesichtspunkte zu umfassen.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof würdigt den Sachverhalt umfassend und kommt zu dem Ergebnis:
"Die Vorlage nachgebesserter Arbeitsverträge spricht ebenfalls dafür, dass die Antragstellerin eine Erwerbstätigkeit immer nur in dem Maße aufgenommen hat, wie sie es für die Begründung eines Freizügigkeitsrechts für erforderlich gehalten hat. Der Antragsgegner hat auch in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Antragstellerin bei Würdigung der angeführten Umstände in unangemessener Weise öffentliche Leistungen in Anspruch nimmt. Der Antragstellerin war von vornherein bewusst, dass sie in Deutschland Sozialhilfeleistungen beziehen würde, da ihre bulgarische Rente in Höhe von ca. 100,00 € nicht zur Deckung ihres Lebensunterhaltes ausreicht, ihre in Deutschland lebende Familie sie nicht unterstützen kann und sie weder die Sprachkenntnisse noch die beruflichen Fertigkeiten für eine den Lebensunterhalt sichernde Tätigkeit hat."
Weitere Einzelheiten zum Ausschluss der Freizügigkeit bei Missbrauch