Anforderungen an die Ermessensentscheidung eines unter der aufschiebenden Bedingung der Abschiebung ergangenen Einreise- und Aufenthaltsverbots

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Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 7. September 2021 wichtige Grundsätze zur Befristung des unter der aufschiebenden Bedingung seiner Abschiebung ergangenen Einreise- und Aufenthaltsverbots aufgestellt (Az.: 1 C 46.20). Die Entscheidung beschäftigt sich insbesondere mit der Frage, welche Integrationsleistungen im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind und ggfs. zur Rechtswidrigkeit des vom Bundesamt festgesetzten Einreise- und Aufenthaltsverbots für die Dauer von 30 Monaten führen. Die Grundsätze der Entscheidung gelten aber auch für Ermessensentscheidungen, die die Ausländerbehörden im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zu treffen haben.

Dabei trifft das Bundesverwaltungsgericht folgende Aussagen:

  • Ein Ermessensfehler bei der Befristung führt zur Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots insgesamt, das dann im Regelfall ermessensfehlerfrei neu erlassen werden darf. (Rn. 10)
  • Sind in dem zu beurteilenden Einzelfall Umstände, die das gefahrenabwehrrechtlich geprägte Interesse an einem Fernhalten des Ausländers vom Bundesgebiet erhöhen, ebenso wenig erkennbar wie Umstände, die geeignet sind, das Gewicht dieses öffentlichen Interesses zu mindern, so begegnet es in einer Situation, die keine Besonderheiten gegenüber gleichgelagerten Fällen aufweist, keinen Bedenken, das abschiebungsbedingte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf die Dauer von 30 Monaten zu befristen. (Rn. 18)
  • Die Verengung der zu berücksichtigenden, von Art. 8 EMRK geschützten Teilaspekte des Privatlebens auf Integrationsleistungen, an die eine legale Wiedereinreise realistisch anknüpfen kann, ist durch die Besonderheiten des abschiebungsbedingten Einreiseverbots nach § 75 Nr. 12 iVm § 11 Abs. 1 AufenthG gerechtfertigt. Bei der Befristung eines solchen Einreiseverbots gebietet es der Schutz des Privatlebens jedenfalls in aller Regel nicht, bereits niederschwellige Integrationsleistungen zu berücksichtigen (etwa der Erwerb von Sprachkenntnissen, ein Schulbesuch, eine bestandene Integrations- oder Fördermaßnahme, die Ausübung einer kurzfristigen Aushilfstätigkeit, ehrenamtliches oder gesellschaftliches Engagement etc. ), die keine rechtliche Grundlage für eine legale Wiedereinreise legen. (Rn. 22) (Rn. 26)
  • Der Abschluss einer qualifizierten Berufsausbildung bis zu dem nach § 83c iVm § 77 Abs. 1 AsylG und § 75 Nr. 12 AufenthG maßgeblichen Zeitpunkt lässt es vorbehaltlich etwaiger Besonderheiten des Einzelfalles im Hinblick zum einen auf die hierdurch gefestigten wirtschaftlichen Bindungen des Ausländers an das Bundesgebiet und zum anderen auf das öffentliche Interesse an einer Deckung der Bedarfe des Wirtschaftsstandorts Deutschland und der Fachkräftesicherung angezeigt erscheinen, die Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf die Hälfte des in Fällen ohne erkennbare Besonderheiten bestimmten Wertes, bei ansonsten angesetzten 30 Monaten mithin auf die Dauer von 15 Monaten festzusetzen. (Rn. 24)
  • Allein die bloße Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung ohne deren erfolgreichen Abschluss begründet in aller Regel keine die Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots überdauernde Rückkehrperspektive. (Rn. 25)