Sonstige, insbesondere polizeiliche Freiheitsentziehung nach Polizeigesetzen, der StPO.

Zur Frage der Vereinbarkeit des polizeilichen Unterbindungsgewahrsams mit der Europäischen Menschenrechtskonvention

  1. Die Regelung des polizeilichen Unterbindungsgewahrsams in § 18 Abs. 1 Ziffer 2 Buchst. a) Nds. SOG ist mit Art 5 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - vereinbar.
  2. Die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
  1. Eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der konkreten Art und Weise des polizeilichen Gewahrsams eines Betroffenen ist auch nach Beendigung der Maßnahme zur Gewährleistung effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes zulässig, wenn eine schwerwiegende Beeinträchtigung von Grundrechten geltend gemacht wird.
  2. Ein mehrstündiges Festhalten in einem abgestellten Gefangenentransporter verletzt den Betroffenen in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person, wenn in der konkreten Situation eine andere Möglichkeit bestanden hat, die besonders belastende Form der Freiheitsentziehung früher zu beenden.

EGMR: Fünftägige Ingewahrsamnahme während G8-Gipfel nicht gerechtfertigt

Polizeiliche Maßnahmen verletzten Beschwerdeführer im Recht auf Freiheit und Sicherheit und im Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit verletzt

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 01.12.2011

Die Vorschrift des § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO lässt ein Festhalten zur  Identitätsfeststellung nur zu, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Als  gesetzliche Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots stellt die Vorschrift sicher, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur dann erfolgt, wenn er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist.

Bei Vorzeigen von unverfälschten Identitätspapieren ist - insbesondere im Hinblick auf das verfassungsrechtlich fundierte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen bloßer Identitätsfeststellung und weiterem Festhalten - davon auszugehen, dass es den Polizeibeamten möglich war, die Identität vor Ort hinreichend sicher festzustellen.

Ein Festhalten aus reinen Praktikabilitätserwägungen vermag die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht zu begründen.

Anhaltung zur Feststellung der Identität (Art. 5 und 6 Abs. 1 EMRK)
  1. Eine Anhaltung nach Art. 5 (1) (b) EMRK ist nur zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung erlaubt. Es muss daher eine unerfüllte Verpflichtung bestehen und die Anhaltung muss der Erzwingung ihrer Erfüllung dienen und darf keinen strafenden Charakter haben.
  2. Der Entzug der Freiheit einer 67-jährigen Person für eine Dauer von 13,5 Stunden wegen der Anhaltung zur Identitätsfeststellung war nicht verhältnismäßig.
Freiheitsentziehung zur Identitätsfeststellung
  1. Die in § 163 Abs. 1 S. 2 StPO bzw. in den Polizeigesetzes des Bundes und der Länder enthaltene gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes soll sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit durch Festhalten nur in Fällen erfolgen darf, wenn er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist, z.B. dann, wenn nach Ausschöpfung der polizeilichen Befugnisse des Befragens nach den Personalien bzw. der Aufforderung, mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen, die Identitätsfeststellung nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist.
  2. Danach ist Art 2 Abs. 2 S. 2 GG verletzt, wenn - wie hier - der Betroffene festgehalten wird, obwohl er unaufgefordert einen gültigen Stadtratsausweis vorgelegt und den kontrollierenden Polizeibeamten angeboten hatte, seinen mitgeführten Personalausweis einzusehen.