Schadenersatzverfahren nach rechtswidriger Freiheitsentziehung
Verfassungsbeschwerde wegen Versagung eines Schmerzensgeldes bei rechtswidriger Freiheitsentziehung anlässlich eines Castor-Transportes
  1. Die Umstände des Gewahrsamvollzugs müssen bei der Versagung des Schmerzensgeldes in verfassungsrechtlich tragfähiger Weise berücksichtigt werden.
  2. Es begegnet keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass eine Geldentschädigung wegen der Verletzung immaterieller Persönlichkeitsbestandteile nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung nur unter der Voraussetzung einer hinreichenden Schwere und des Fehlens einer anderweitigen Genugtuungsmöglichkeit beansprucht werden kann.
  3. Einer mindestens zehnstündigen Festsetzung der Beschwerdeführer ist eine nachhaltige Beeinträchtigung mit abschreckender Wirkung für den künftigen Gebrauch grundrechtlich garantierter Freiheiten — namentlich die durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Teilnahme an Demonstrationen oder deren von Art. 2 Abs. 1 GG umfasste Beobachtung — und kann der Rechtsbeeinträchtigung ein besonderes Gewicht verleihen.
Zum allgemeinen Aufopferungsanspruch bei unzulässiger Auslieferung
  1. Wird ein Betroffener rechtmäßig in Auslieferungshaft genommen und erklärt ein Strafsenat des Oberlandesgerichts später die Auslieferung für unzulässig, kommt ein Ausgleich aufgrund des allgemeinen Aufopferungsanspruchs in Betracht.
  2. Für die Frage einer rechtmäßigen Inhaftierung im Sinne des hier einschlägigen Art. 5 Abs. 1 Buchstabe f EMRK ‐ betreffend Ausweisungs‐ oder Auslieferungshaft ‐ ist nur auf die Zulässigkeit der Anordnung der Haft abzustellen, nicht auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebung oder Auslieferung.
  3. Dabei ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anerkannt, dass eine Freiheitsentziehung grundsätzlich rechtmäßig ist, wenn sie aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung stattfindet.
Zum Schadensersatzanspruch nach Artikel 5 Absatz 5 EMRK bei rechtswidriger Abschiebungshaft
  1. Rechtswidrige Abschiebungshaft löst einen Ersatzanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK aus. Auf ein Verschulden oder gar willkürliches Verhalten des Amtsträgers kommt es dabei nicht an. Es genügt der objektive Rechtsverstoß.
  2. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit durch das Haftgericht im FEVG-Verfahren ist für das Amtshaftungsverfahren bindend.
  3. Ein Asylbewerber hat Anspruch auf Haftentschädigung nach Art. 5 Abs. 5 EMRK, wenn im Rahmen der Anordnung von Abschiebehaft nicht beachtet wurde, dass der Asylablehnungsbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt war (OLG Stuttgart - 4 U 71/05 - Urteil vom 20. Juli 2005 in Abweichung von OLG Köln NVwZ 1997, 518).
Wiederaufnahmeverfahren um Schadenersatzprozess

Im Einzelfall kann bereits die Feststellung einer Verletzung von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b der Konvention an sich eine ausreichende gerechte Entschädigung für den immateriellen Schaden bedeuten.
Anhaltung zur Feststellung der Identität (Art. 5 und 6 Abs. 1 EMRK)
  1. Eine Anhaltung nach Art. 5 (1) (b) EMRK ist nur zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung erlaubt. Es muss daher eine unerfüllte Verpflichtung bestehen und die Anhaltung muss der Erzwingung ihrer Erfüllung dienen und darf keinen strafenden Charakter haben.
  2. Der Entzug der Freiheit einer 67-jährigen Person für eine Dauer von 13,5 Stunden wegen der Anhaltung zur Identitätsfeststellung war nicht verhältnismäßig.