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Hartz IV und Zuwanderungsgesetz - Reformflut für arbeitslose Migranten

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Ausländer, die erwerbslos oder sozialhilfebedürftig sind, sehen sich seit dem 1. Januar 2005 mit zahlreichen gravierenden Änderungen konfrontiert. Zum ersten ist seit diesem Tag das unter Hartz IV bekannte ‚Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt’ in Kraft, mit dem in der „wohl umfassendsten Reform am Arbeitsmarkt“ Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt werden. Zum zweiten greifen ab dem 1.1.2005 die Neuerungen des Zuwanderungsgesetzes, das das bisher geltende Ausländergesetz ablöst.


Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Leistungen für Asylbewerber

Für Ausländer, die Sozialleistungen erhalten, ist seit dem 1. Januar 2005 daher ein besonderes Maß an Flexibilität erforderlich, sich auf eine neue gesetzliche Grundlage ihrer Situation einzustellen. Dies ist insofern von besonderer Bedeutung als die Existenzgrundlage dieser Menschen und die Möglichkeit für sie, im Land zu bleiben, sich frei zu bewegen und zu arbeiten, von diesen gesetzlichen Regelungen abhängt.

Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe durch Hartz IV wirkt sich auf Migranten und Migrantinnen besonders stark aus. Im 2003/04 waren beinahe 530.000 ausländische Staatsangehörige arbeitslos gemeldet (Stand: Mai 2004), während 600.000 Ausländer in Sozialhilfebezug standen (Stand: Dezember 2003). Dies entspricht einer Arbeitslosenquote unter Migranten von 20 % und einer Sozialhilfequote von 8,1 %, die damit beinahe doppelt, bzw. dreimal so hoch sind wie die entsprechenden Quoten für Deutsche. Die hohe Erwerbslosenquote der in Deutschland lebenden Ausländer ist zum einen durch wirtschaftliche Schwierigkeiten von Branchen bedingt, in denen diese vormals Arbeit gefunden hatten, wie im Bergbau-, Stahl- und Bausektor. Zum anderen sind Migranten oft durch die Nichtanerkennung von Abschlüssen und durch den nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt benachteiligt. Denn vielen Ausländern ist eine Arbeit erst gestattet, wenn keine geeigneten deutschen Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Nach dem neuen ‚Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches’ (SGB II) erhalten Ausländer, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, seit dem 1.1.2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II), wenn sie arbeitsfähig sind und ihnen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erlaubt werden könnte. Nachdem es hierzu allein auf die Möglichkeit der Arbeitsgenehmigung und nicht auf die konkrete Erteilung einer solchen ankommt, sind vom Bezug des Arbeitslosengeldes II letzten Endes nur Touristen und Personen, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, ausgeschlossen. Letztere sind ohnehin formell auf die deutlich niedrigeren Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt. Neben asylsuchenden Menschen, die noch nicht als Asylberechtigte anerkannt sind, beziehen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auch Bürgerkriegsflüchtlinge oder Ausländer, die zur Ausreise verpflichtet sind, bei denen davon aber aus verschiedenen humanitären Gründen abgesehen wird. Während vor dem 1.1.2005 viele dieser Personen, die
nach einjähriger Sperrfrist eine Arbeit aufnehmen können, Leistungen der Arbeitslosenhilfe erhielten, sind sie nunmehr von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende generell ausgeschlossen. Dies bedeutet nicht zuletzt deswegen oftmals eine erhebliche Verschlechterung für diese Personen, weil nun kein Anspruch auf Arbeitsförderungsmaßnahmen besteht, wie Weiterbildungs und Vermittlungsangebote der Bundesagentur für Arbeit. Außerdem sind nun Hartz IV und ZuwG  auch die so genannten Kontingentflüchtlinge allein auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verwiesen.

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Darunter versteht man Flüchtlinge, die im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommen wurden ohne im eigentlichen Sinne unter die Genfer Flüchtlingskonvention zu fallen. Die bekanntesten Gruppen waren die vietnamesischen Boat-People Mitte der
achtziger Jahre und die albanischen Botschaftsflüchtlinge im Jahre 1990. Diese vielmals kritisierte Ausdehnung des Anwendungsbereiches des Asylbewerberleistungsgesetzes ist in der Praxis jedoch ohne große Auswirkungen, denn von den insgesamt 150.000 aufgenommen Kontingentflüchtlingen leben derzeit nur noch 6.800 in Deutschland (BMI). Ausländische Staatsangehörige, die aus medizinischen Gründen nicht in der Lage, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten, erhalten nicht wie ihre deutschen Mitbürger Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII, sondern einen geringeren und eingeschränkten Sozialhilfesatz.

 


Sozialleistungen und Aufenthaltsrecht

Außerdem bestehen Verschränkungen zwischen sozialleistungs- und aufenthaltsrechtlichen Sachverhalten. So können Einwanderer, die eine zeitlich befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, zur Teilnahme an Integrationskursen verpflichtet werden. Verweigern die Migranten die Teilnahme, können ihnen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende um bis zu 10 % gekürzt werden. Umgekehrt hat der Bezug von öffentlichen Mitteln negative Auswirkungen auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels, auf die sogenannte Aufenthaltsverfestigung und den Familiennachzug. Wie auch nach der alten Rechtslage ist die Sicherung des
Lebensunterhaltes notwendig, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen oder zu verlängern. Allerdings war dies bislang auch möglich, wenn der Lebensunterhalt noch für sechs Monate durch einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gesichert war. Diese Möglichkeit ist jetzt entfallen. Außerdem kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn er für sich, seine Familienangehörigen oder sonstige Haushaltsangehörige öffentliche Mittel in Anspruch nimmt, wozu das Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe zählen. Allerdings ist eine Ausweisung in solchen Fällen nicht zwingend geboten. Vielmehr sind u.a. die Dauer des Aufenthaltes und der Integrationsgrad des Ausländers bei der Entscheidung zu Hartz IV und ZuwG berücksichtigen, weshalb es in vielen Fällen trotz Sozialleistungsbezuges auch künftig nicht zu Ausweisungen kommen dürfte. Das Zuwanderungsgesetz, Hartz IV und Änderungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes haben auch zu Neuerungen für die Familienzusammenführung und für die Einbürgerung von Einwanderern geführt. Einerseits kann der Familiennachzug untersagt werden, wenn der derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet Sozialhilfe erhält. Dabei soll nach dem Entwurf des „Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze“ vom 14.12.2004 (BT-Drs. 15/4491) klargestellt werden, dass nicht nur Sozialhilfe, sondern auch der Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende hiervon erfasst wird. Andererseits kann im Falle des Familiennachzuges davon abgesehen werden, dass der nachziehende Familienteil seinen Lebensunterhalt sichern kann.

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Ein Einwanderer, der die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen möchte, muss grundsätzlich dazu imstande sein sich und seine Angehörigen selber zu ernähren. Seit dem 1.1.2005 kann von dieser Voraussetzung jedoch abgesehen werden, wenn ein öffentliches Interesse hieran besteht oder um besondere Härten zu vermeiden. Erhält jemand, der eine Einbürgerung wünscht, Sozialleistungen, dürften hierbei die Dauer und der Umfang des Leistungsbezuges sowie die Gründe für sein Entstehen entscheidend sein. Die geringsten Auswirkungen hat die Reform am Arbeitsmarkt auf Einwanderer mit einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis. Diese erhalten Zugang zu Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende und können diese beziehen,
ohne deswegen aufenthaltsrechtliche Sanktionen befürchten zu müssen. Für diese Gruppe von Einwanderern kann die nicht ausreichende Sicherung des Lebensunterhaltes allein im Falle einer beabsichtigten Einbürgerung oder für die Frage des Familiennachzuges von Belang sein.


Neuer Rechtsweg: Sozialgerichte zuständig

Eine weitere Änderung besteht darin, dass seit dem 1.1.2005 für Streitigkeiten wegen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht mehr die Verwaltungsgerichte, sondern nunmehr die Sozialgerichte zuständig sind. Die Länder können jedoch bis zum 31. Dezember 2008 die Sozialgerichtsbarkeit durch besondere Spruchkörper der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte ausüben lassen. Es ist zu erwarten, dass der neue Rechtsweg auch zu Änderungen der Behandlung von Fragen des
Sozialleistungsrechts führen wird.


Reform der Reform

Es wird sich in der Anwendung des neuen Rechts durch Behörden und Gerichte erweisen, inwieweit die Änderungen zur Verwirklichung der Reformziele des Gesetzgebers führen und inwieweit Kritik berechtigt ist. Für einige der frisch reformierten Bestimmungen des Aufenthalts- und des Asylbewerberleistungsgesetzes bestehen bereits erneute Reformvorhaben, wie auch aus dem Gesetzesentwurf der Regierungskoalition „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze“ vom 14.12.2004 (BT-Drs. 15/4491) hervorgeht. Auch unter diese Reform kann deshalb noch kein endgültiger Schlussstrich gesetzt werden, und es wird wohl noch etwas dauern bis hier Rechtssicherheit einkehrt.