Die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) berührt die Passpflicht nicht. Auch ein geduldeter Ausländer kann daher wegen passlosen Aufenthalts strafbar sein.

Die Richtlinie 2008/115/EG verbietet nicht die Strafbarkeit eines Angeklagten nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 AufenthG, denn die Strafvorschrift beeinträchtigt den ordnungsgemäßen Ablauf des Rückführungsverfahrens nicht. Die Verhängung einer Strafe beeinträchtigt in einem solchen Fall nicht das Rückführungsverfahren und gefährdet auch nicht die Verwirklichung der mit der genannten Richtlinie verfolgten Ziele. Infolge der Passlosigkeit kann ein Rückführungsverfahren im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG nicht betrieben werden, eine Ausreise des Drittstaatenangehörigen bzw. dessen Abschiebung wird dadurch dauerhaft verhindert. Dies gilt insbesondere, wenn der Angeklagte die Beschaffung des Passes durch falsche Personalien hintertreibt.

  1. Ein im gültigen Pass eingetragener Aufenthaltstitel eines Drittstaates der EU berechtigt den Ausländer regelmäßig zur Einreise in die Bundesrepublik sowie zum befristeten Aufenthalt.
  2. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eines mit einem Aufenthaltstitel eines Drittstaates eingereisten Ausländers stellt regelmäßig keinen Grund zur Einreiseverweigerung dar. Eine solche Einschränkung des Aufenthaltstitels ergibt sich weder aus nationalem noch aus internationalem Recht.
  3. Ein kurzer Abstand zwischen Einreise und Aufnahme der Erwerbstätigkeit spricht nicht automatisch dafür, dass der Ausländer schon bei der Einreise beabsichtigte, dieser Erwerbstätigkeit nachzugehen.
  4. Bei der Frage, ob wegen des Erlöschens eines Aufenthaltstitels der Ausländer auszuweisen ist, muss die Behörde berücksichtigen, dass der Ausländer, der von einem Einreise- und Aufenthaltsrecht nach Art. 21 SDÜ Gebrauch macht, von offensichtlichen Fallkonstellationen abgesehen nur schwerlich abschätzen kann, ob sein Aufenthalt eine Gefahr i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe e Schengener Grenzkodex für die öffentliche Ordnung darstellt und damit zugleich sein weiterer Aufenthalt unerlaubt wird.
  5. Eine Abschiebungsandrohung ist rechtswidrig, wenn der ausreisepflichtige Ausländer über eine gültige Aufenthaltserlaubnis in einem Drittstaat verfügt und eine Abschiebung in sein Heimatland oder in ein anderes Land, in das er zur Einreise berechtigt ist, angedroht wurde.
  1. Bei einem von der Visapflicht befreiten Drittstaatsangehörigen (EuVisaVO [Verordnung EG Nr. 539/2001 des Rates vom 15.3.2001] i. V. m. Liste II; Art. 5 SKG; Art. 20; 21 SDÜ) muss sich das freisprechende Urteil zur beabsichtigen Aufenthaltsdauer verhalten. Ein beabsichtigter Aufenthalt über drei Monate hinaus kann die Einreise in das Bundesgebiet und den Aufenthalt darin illegal machen.
  2. Ein freisprechendes Urteil muss den wesentlichen Inhalt einer Ausweisungsverfügung mitteilen (Verfügungstenor, Verfügungsdatum und Bestandskraft, etwaige Befristung) mitteilen, da sonst eine revisionsrechtliche Nachprüfung des Freispruchs nicht möglich ist.
  3. Die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008) hat keine Rückwirkung auf bestandskräftig abgeschlossene Ausweisungsverfahren (hier nach § 8 Abs. 2 AuslG 1990 i. V. m. § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
  4. Die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger betrifft nur Rückkehrentscheidungen. Ausweisungen sind keine Rückkehrentscheidungen (im Anschluss an VGH Baden-Württemberg Urteil vom 7. Dezember 2011 - Az.: 11 S 897/11 Rdn. 80 mit 84, zitiert nach juris).
  1. Ein deutscher Staatsangehöriger vermittelt durch die Eheschließung einem Drittstaatsangehörigen Freizügigkeit im Sinne des § 2 FreizügG/EU nur, wenn der Deutsche zu einem der nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU maßgeblichen Zeitpunkte selbst seinen latenten Status als Unionsbürger aktualisiert hat. Deshalb gelangt der Drittstaatsangehörige nicht in den Genuss der Freizügigkeit, wenn die Eheschließung vor diesem Zeitpunkt erfolgt ist und er den deutschen Ehegatten während dessen Aufenthaltes in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union weder begleitet noch zu diesem nachgezogen ist.
  2. Es kann offen bleiben, ob eine vor dem Erwerb der Freizügigkeit des drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eingetretene Sperre nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG auch dann noch fortwirkt oder auf welchem konstruktiven Wege sie entfallen könnte.

Zur Bejahung der Feststellung des Verlusts der Freizügigkeit eines österreichischen Staatsangehörigen aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren wegen Drogenstraftaten.

Die Frage, ob sich ein Unionsbürger, der in einem anderen Mitgliedstaat nachhaltig von seinem Recht auf Freizügigkeit (Art. 20 AEUV) Gebrauch gemacht hat, auch nach Rückkehr in sein Heimatland zugunsten von Familienangehörigen, denen er Unterhalt gewährt, auf dieses Recht berufen kann, beurteilt sich nach Maßgabe der konkreten Umstände des Einzelfalls. Sofern dem Familienangehörigen während des Aufenthalts des Unionsbürgers in einem anderen Mitgliedstaat noch kein von diesem abgeleitetes Freizügigkeitsrecht zustand, gebietet die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Freizügigkeit nach Rückkehr des Unionsbürgers in sein Heimatland nicht die Ermöglichung des Familiennachzugs zu diesem.

Im Asylrecht ist bei einer erstmaligen Asylantragstellung kein Raum für eine Untätigkeitsklage dahingehend, die Beklagte Bundesrepublik zu einer Asylanerkennung zu verpflichten.
Im Rahmen eines Asylverfahrens, für das nach den Vorschriften der Dublin II-Verordnung ein anderer Mitgliedstaat der EU zuständig ist, kommt eine Untätigkeitsklage mit dem Ziel, die Bundesrepublik zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO zu verpflichten, in Betracht, wenn dem Kläger in dem für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 - droht.
Zur Frage, ob in Bezug auf Ungarn als für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat ein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts bestehen kann, was vorliegend aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalls bejaht wurde.

  1. Die Richtlinie 2008 aus 115 EG (vgl. Gesetzesbegründung BTDs 17/5470 vom 12. April 2011 S. 1) verbietet nicht die Strafbarkeit des Angeklagten nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG.
  2. Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist jedoch in Umsetzung der Richtlinie die vollständige Einhaltung des Rückkehrverfahrens und dessen entsprechende Darlegung in dem Urteil sowie Ausführungen dazu, dass sich der Angeklagte außerhalb dieses Verfahrens gestellt hat.

Befasst sich bei einem türkischen Staatsangehörigkeit insbesondere mit einem fortgeschrittenen Integrationsstatus das Urteil des Amtsgerichts wegen unerlaubten Aufenthalts ohne Pass nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht mit der Zumutbarkeit der Passbeschaffung und der Passersatzbeschaffung nach § 48 Abs. 2 AufenthG, ist die Berufungsbeschränkung nach § 318 StPO unwirksam und das Berufungsurteil, das von ihrer Wirksamkeit ausgeht, unterliegt auf die Sachrüge hin der Aufhebung.