Rechtsschutzinteresse der Betroffenen sowie der antragstellenden Behörden.

Zur Frage der Notwendigkeit eines Antrages (ausdrücklich oder konkludent), wenn das Rechtsmittel nach Erledigung der Hauptsache (hier: durch Abschiebung) zum Zwecke der Fortsetzungsfeststellung oder zur Herbeiführung einer Kostenentscheidung genutzt werden soll.
Zum fehlenden Rechtsschutzinteresse an einer Fortsetzungsfeststellung bei nicht vollzogener Überhaft-Anordnung.
Zum Rechtsschutzinteresse für eine Fortsetzungsfeststellung

  1. Wird die Abschiebungshaft nach einem Haftzeitraum von sechs Monaten verlängert, und zwar trotz eines nur 16 Tage nach der Entscheidung anstehenden Abschiebungstermins erneut für die Dauer von drei Monaten, so besteht ein Rechtsschutzbedürfnis des zum vorgesehenen Termin abgeschobenen Ausländers, mit der Beschwerde eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung herbeizuführen, nur im Hinblick auf die Verlängerungsanordnung als solche, nicht jedoch hinsichtlich der über den Abschiebungstermin hinausgehenden Haftzeitbestimmung.
  2. Insoweit fehlt es an einem Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen, weil die Abschiebungshaft ihrem Zweck entsprechend mit dem Vollzug der Abschiebung endet.
Zur Frage eines vorbeugenden Rechtsschutzes in Abschiebungshaftsachen
  1. Gegenüber einem nicht gestellten, von dem Betroffenen erwarteten Antrag der Verwaltungsbehörde auf Anordnung der Haft ist die Gewährung von vorbeugendem Rechtsschutz in der Form eines Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der künftigen Verhängung von Abschiebungshaft unzulässig.
  2. Dies gilt ebenso in Bezug auf eine nicht vollzogene, von dem Betroffenen lediglich befürchtete haftvorbereitende behördliche Ingewahrsamnahme.
Fehlendes Feststellungsinteresse der antragstellenden Behörde

Hat sich das Verfahren nach Haftaufhebung durch Vollzug der Abschiebung in der Hauptsache erledigt, so besteht für die antragstellende Behörde kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung der Haftanordnung.

Effektiver Rechtsschutz nach Erledigung der Hauptsache
  1. Nach Erledigung der Hauptsache besteht für die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse mehr (vgl. BayObLGZ 1993, 82; 1997, 276 und 287).
  2. Jedoch kann das gemäß Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfG NJW 1997, 2163/2164) ausnahmsweise gebieten, dem Betroffenen zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme den vorgegebenen Instanzenzug zu eröffnen.
  3. In Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf einen Zeitraum beschränkt, in welchem der Betroffene die gerichtliche Überprüfung in dem von der Prozeßordnung vorgegebenen Instanzenzug kaum erlangen kann, ist ein Rechtsschutzinteresse für die gerichtliche Prüfung des Eingriffs grundsätzlich zu bejahen (BayObLGZ 1999, 24 m.w.N.; 2000, 220/221).
Zum Umfang einer Fortsetzungsfeststellung und zum Beschleunigungsgebot
  1. Nach einer durch Freiheitsentziehung eingetretenen Erledigung der Hauptsache kann der Betroffene sein Rechtsmittel mit dem Ziel aufrechterhalten, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung feststellen zu lassen. Das Gericht kann eine rechtswidrige Freiheitsentziehung längstens für den Zeitraum feststellen, der von der zulässig angefochtenen Haftanordnung umfasst wird.
  2. In Abschiebungshaftverfahren resultiert aus dem Beschleunigungsgebot für die beteiligten Behörden die Pflicht, die Haft auf den Zeitraum zu begrenzen, der unbedingt erforderlich ist, um die Abschiebung vorzubereiten und durchzuführen. Die Verletzung dieser Pflicht steht einer weiteren Haftanordnung entgegen.
Zur Fortsetzungsfeststellung bei einem Haftaufhebungsverfahren zum Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.
Effektiver Rechtsschutz bei vollzogener Haft
  1. Ein Freiheitsverlust durch Inhaftierung (hier: Abschiebungshaft) indiziert ein Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen, das ein von Art 19 Abs 4 GG umfasstes Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch dann begründet, wenn die Maßnahme erledigt ist.
  2. Mit dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist es grundsätzlich vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen. Nicht zu beanstanden ist, wenn die Fachgerichte bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses annehmen.
  3. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist (z.B. bei Wiederholungsgefahr oder in Fällen tief greifender Grundrechtseingriffe).
  4. Bei Eingriffen in das Grundrecht der Freiheit der Person lässt jedoch in aller Regel auch nach Erledigung des Eingriffs ein Interesse des Betroffenen an - auch nachträglicher - Feststellung der Rechtswidrigkeit als schutzwürdig erscheinen.
Zum mangelnden Rechtsschutzinteresse der haftantragstellenden Behörde im Beschwerdeverfahren
  1. Die sofortige weitere Beschwerde der antragstellenden Behörde ist jedenfalls dann unzulässig, wenn der Betroffene abgeschoben wurde, denn damit ist der zu überprüfende Verfahrensgegenstand entfallen und die Hauptsache erledigt.
  2. Nach Erledigung der Hauptsache könnte eine sofortige weitere Beschwerde allenfalls noch dann zulässig sein, wenn ein Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers auch jetzt noch gegeben wäre. Dies kommt nur noch dann in Betracht, wenn tiefgreifende Grundrechtseingriffe ein Rehabilitierungsinteresse initiieren (BVerfG FGPrax 2002, 137).
  3. Insbesondere kann das Rechtsschutzinteresse der antragstellenden Behörde vor dem Hintergrund der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht mit dem "grundsätzlichen Entscheidungsbedarf" einer abstrakten Rechtsfrage begründet werden.
Im Anhang beigefügt: OLG Celle - 22 W 31/09 - Beschluss vom 26.08.2009, OLG Köln - 16 Wx 198/06 - Beschluss vom 11.09.2006 und BayOblG - 4Z BR 045/04 - Beschluss vom 16.08.2004 in gleicher Angelegenheit.