Rechtsschutzinteresse der Betroffenen sowie der antragstellenden Behörden.

Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gebietet es, im Rahmen der Überprüfung der Heranziehung zu Gebühren wegen einer Ingewahrsamnahme diese gerichtlich zu überprüfen, wenn sich die Ingewahrsamnahme vor Ablauf einer Rechtsbehelfsfrist und ohne amtsgerichtliche Entscheidung über den Gewahrsam nach § 19 Nds. SOG erledigt hat. Dem steht nicht entgegen, dass durch § 19 Nds. SOG die ordentliche Gerichtsbarkeit über die Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Freiheitsentziehung (§ 19 Nds. SOG) zu entscheiden hat. Eine rechtmäßige Ingewahrsamnahme gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 Nds. SOG setzt voraus, dass aufgrund von tatsächlichen Feststellungen der Polizei unmittelbar bevorstehend die Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Gefahr für die Allgemeinheit zu erwarten war (hier: im Einzelfall verneint).

  1. Zur Verletzung des Beschleunigungsprinzips aus Art. 2 Abs. 2 GG und des Verhältnismäßigkeitsprinzips.
  2. Die Ausländerbehörde ist als Ordnungsbehörde selbst Teil der staatlichen Verwaltung und kann damit nicht Träger grundrechtlich geschützter Positionen sein, aus denen sich ein Anspruch auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer gerichtlichen Entscheidung ableiten ließe.
§ 34 a AsylVfG findet aufgrund der Direktanwendung der RL 2008/115/EG bei Folgeantragstellern keine Anwendung, da Art. 13 I, II dieser RL den Mitgliedstaaten einen gesetzlichen Eilrechtsschutz auferlegt.

An einem anerkennenswerten Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen fehlt es aber, wenn dieser - wie hier - in dem von der Haftanordnung nach § 421 FamFG erfassten Zeitraum eine Freiheitsstrafe wegen einer von ihm begangenen Straftat verbüßte und der Eingriff in sein Freiheitsgrundrecht damit in der Sache gerechtfertigt war (vgl. BayObLG, FGPrax 2004, 307, 308 mwN).

  1. Die Versagung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegen einen Kostenbescheid für eine polizeiliche Ingewahrsamnahme ist verfassungswidrig.
  2. Der Hoheitsakt der polizeilichen Ingewahrsamnahme hat für den später erlassenen Kostenbescheid keine Vorwirkung. Dementsprechend muss sich der betroffene Bürger, wendet er sich gegen den später erlassenen Kostenbescheid, nicht entgegenhalten lassen, dass er zuvor von der Rechtsschutzmöglichkeit gegen die polizeiliche Ingewahrsamnahme keinen Gebrauch gemacht hat.
  3. Die polizeiliche Ingewahrsamnahme und die versammlungsrechtliche Auflösung unterfallen von Verfassungs wegen sich gegenseitig ausschließenden Regelungsregimen.

Zur Rechtsbeschwerdemöglichkeit der Behörden

Ohne Zulassung ist nach § 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen seine Inhaftierung zulässig.
Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde gegen eine Verkürzung der weiteren Sicherungshaft bedarf der Zulassung nach § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG.

Siehe auch den Kurzkommentar zum FamFG unter

icon Das neue FamFG und dessen rechtliche Auswirkungen (437.81 kB 2010-02-28 12:27:56)

Zum Feststellungsinteresse trotz Aufhebung der rechtswidrigen Haft

  1. Erst durch die Feststellungsentscheidung wird zu Gunsten des Betroffenen durch die hierfür zuständige Fachgerichtsbarkeit mit Rechtskraft auch für andere Verfahren und Gerichtsbarkeiten eine unanfechtbare Grundlage geschaffen.
  2. Sie wird daher nicht durch die bloße Aufhebung der Haftanordnung entbehrlich.
  3. Aufgrund einer erteilten Grenzübertrittsbescheinigung im Zeitpunkt der Antragstellung liegt kein begründeter Anlass für den Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft vor.
Zur Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden
  1. Gem. § 52 Nr. 5 VwGO ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz hat. Ist der Staat Beklagter, ist insofern auf den Sitz der Behörde abzustellen.
  2. Bundesbehörde im Sinne des § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO ist aber nur eine vom Bund eingerichtete, nach außen selbständig handelnde Verwaltungseinheit.
  3. Einer Bundespolizeiinspektion ist kein eigener Zuständigkeitsbereich durch eine Außenrechtsnorm zugewiesen worden, weshalb sie im Rahmen des § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO nicht als Behörde, sondern lediglich als (unselbständige) Untergliederung der internen Behördenorganisation anzusehen ist.
  4. Nach § 57 Abs. 1 und 2 BPolG sind Bundespolizeibehörden das Bundespolizeipräsidium als Oberbehörde sowie die Bundespolizeidirektionen und die Bundespolizeiakademie als Unterbehörden.
OLG Hamm, Beschluss vom 11.09.2008 (Az.: 15 Wx 254/08)


Die sofortige weitere Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Beschluss BGH vom 18.09.2008 - V ZB 129/08 und Beschluss OLG Saarland vom 15.10.2007 - 5 W 264/07 - 89, 5 W 264/07 - sind als Anlage beigefügt.

Effektiver Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG ist durch die Möglichkeit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klageerhebung ausreichend gewährleistet.
Zur Frage der Notwendigkeit eines Antrages (ausdrücklich oder konkludent), wenn das Rechtsmittel nach Erledigung der Hauptsache (hier: durch Abschiebung) zum Zwecke der Fortsetzungsfeststellung oder zur Herbeiführung einer Kostenentscheidung genutzt werden soll.
Zum fehlenden Rechtsschutzinteresse an einer Fortsetzungsfeststellung bei nicht vollzogener Überhaft-Anordnung.
Zum Rechtsschutzinteresse für eine Fortsetzungsfeststellung

  1. Wird die Abschiebungshaft nach einem Haftzeitraum von sechs Monaten verlängert, und zwar trotz eines nur 16 Tage nach der Entscheidung anstehenden Abschiebungstermins erneut für die Dauer von drei Monaten, so besteht ein Rechtsschutzbedürfnis des zum vorgesehenen Termin abgeschobenen Ausländers, mit der Beschwerde eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung herbeizuführen, nur im Hinblick auf die Verlängerungsanordnung als solche, nicht jedoch hinsichtlich der über den Abschiebungstermin hinausgehenden Haftzeitbestimmung.
  2. Insoweit fehlt es an einem Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen, weil die Abschiebungshaft ihrem Zweck entsprechend mit dem Vollzug der Abschiebung endet.
Zur Frage eines vorbeugenden Rechtsschutzes in Abschiebungshaftsachen
  1. Gegenüber einem nicht gestellten, von dem Betroffenen erwarteten Antrag der Verwaltungsbehörde auf Anordnung der Haft ist die Gewährung von vorbeugendem Rechtsschutz in der Form eines Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der künftigen Verhängung von Abschiebungshaft unzulässig.
  2. Dies gilt ebenso in Bezug auf eine nicht vollzogene, von dem Betroffenen lediglich befürchtete haftvorbereitende behördliche Ingewahrsamnahme.
Fehlendes Feststellungsinteresse der antragstellenden Behörde

Hat sich das Verfahren nach Haftaufhebung durch Vollzug der Abschiebung in der Hauptsache erledigt, so besteht für die antragstellende Behörde kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung der Haftanordnung.

Effektiver Rechtsschutz nach Erledigung der Hauptsache
  1. Nach Erledigung der Hauptsache besteht für die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse mehr (vgl. BayObLGZ 1993, 82; 1997, 276 und 287).
  2. Jedoch kann das gemäß Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfG NJW 1997, 2163/2164) ausnahmsweise gebieten, dem Betroffenen zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme den vorgegebenen Instanzenzug zu eröffnen.
  3. In Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf einen Zeitraum beschränkt, in welchem der Betroffene die gerichtliche Überprüfung in dem von der Prozeßordnung vorgegebenen Instanzenzug kaum erlangen kann, ist ein Rechtsschutzinteresse für die gerichtliche Prüfung des Eingriffs grundsätzlich zu bejahen (BayObLGZ 1999, 24 m.w.N.; 2000, 220/221).
Zum Umfang einer Fortsetzungsfeststellung und zum Beschleunigungsgebot
  1. Nach einer durch Freiheitsentziehung eingetretenen Erledigung der Hauptsache kann der Betroffene sein Rechtsmittel mit dem Ziel aufrechterhalten, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung feststellen zu lassen. Das Gericht kann eine rechtswidrige Freiheitsentziehung längstens für den Zeitraum feststellen, der von der zulässig angefochtenen Haftanordnung umfasst wird.
  2. In Abschiebungshaftverfahren resultiert aus dem Beschleunigungsgebot für die beteiligten Behörden die Pflicht, die Haft auf den Zeitraum zu begrenzen, der unbedingt erforderlich ist, um die Abschiebung vorzubereiten und durchzuführen. Die Verletzung dieser Pflicht steht einer weiteren Haftanordnung entgegen.
Zur Fortsetzungsfeststellung bei einem Haftaufhebungsverfahren zum Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.
Effektiver Rechtsschutz bei vollzogener Haft
  1. Ein Freiheitsverlust durch Inhaftierung (hier: Abschiebungshaft) indiziert ein Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen, das ein von Art 19 Abs 4 GG umfasstes Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch dann begründet, wenn die Maßnahme erledigt ist.
  2. Mit dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist es grundsätzlich vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen. Nicht zu beanstanden ist, wenn die Fachgerichte bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses annehmen.
  3. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist (z.B. bei Wiederholungsgefahr oder in Fällen tief greifender Grundrechtseingriffe).
  4. Bei Eingriffen in das Grundrecht der Freiheit der Person lässt jedoch in aller Regel auch nach Erledigung des Eingriffs ein Interesse des Betroffenen an - auch nachträglicher - Feststellung der Rechtswidrigkeit als schutzwürdig erscheinen.
Zum mangelnden Rechtsschutzinteresse der haftantragstellenden Behörde im Beschwerdeverfahren
  1. Die sofortige weitere Beschwerde der antragstellenden Behörde ist jedenfalls dann unzulässig, wenn der Betroffene abgeschoben wurde, denn damit ist der zu überprüfende Verfahrensgegenstand entfallen und die Hauptsache erledigt.
  2. Nach Erledigung der Hauptsache könnte eine sofortige weitere Beschwerde allenfalls noch dann zulässig sein, wenn ein Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers auch jetzt noch gegeben wäre. Dies kommt nur noch dann in Betracht, wenn tiefgreifende Grundrechtseingriffe ein Rehabilitierungsinteresse initiieren (BVerfG FGPrax 2002, 137).
  3. Insbesondere kann das Rechtsschutzinteresse der antragstellenden Behörde vor dem Hintergrund der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht mit dem "grundsätzlichen Entscheidungsbedarf" einer abstrakten Rechtsfrage begründet werden.
Im Anhang beigefügt: OLG Celle - 22 W 31/09 - Beschluss vom 26.08.2009, OLG Köln - 16 Wx 198/06 - Beschluss vom 11.09.2006 und BayOblG - 4Z BR 045/04 - Beschluss vom 16.08.2004 in gleicher Angelegenheit.