Aufenthaltserlaubnis; Ehegattennachzug; Familienzusammenführung; Geltungsdauer; Verkürzung der Frist; Auf enthaltszweck; eigenständiges Auf enthaltsrecht des Ehegatten; besondere Härte; ehebezogene Rückkehrgefahren; Asylbegehren; zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote; Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge; Verfolgung wegen Religion; maßgeblicher Zeitpunkt.

Leitsätze:
1. Der Verkürzung der Geltungsdauer einer zum Zweck des Ehegattennachzugs erteilten Aufenthaltserlaubnis steht es nicht entgegen, dass ein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck besteht. In diesem Fall ist zugleich mit der Verkürzungsverfügung über die Erteilung der anderen Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden.

2. Eine besondere Härte in Gestalt einer erheblichen Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung (§ 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 Auf enthG) kann sich nur aus solchen Beeinträchtigungen ergeben, die mit der Ehe oder ihrer Auflösung in Zusammenhang stehen.

Urteil des 1. Senats vom 9. Juni 2009 - BVerwG 1 C 11.08

Altfallregelung; Bleiberechtserlass; oberste Landesbehörde; Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern; Verlängerungsverbot; Übergangsregelungen; Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen; außergewöhnliche Härte; Verwurzelung in Deutschland; Dauer des Aufenthalts; Legitimität des Aufenthalts; Achtung des Privatlebens; soziale Bindungen; Familieneinheit; Ausweisungsgrund; tatrichterliche Würdigung.


Leitsätze:
1. Einer Bleiberechtsregelung, die eine oberste Landesbehörde aus humanitären Gründen getroffen hat, kommt keine rechtliche Bedeutung zu, wenn das zwingend erforderliche Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern nicht hergestellt ist (§ 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Dies gilt auch für Regelungen, die vor Inkrafttreten des Ausländergesetzes 1990 getroffen worden sind.

2. Bei der Altfallregelung des § 104a Abs. 1 AufenthG stellt die Verurteilung zu einer Geldstrafe von mehr als 50 Tagessätzen einen strikten Versagungsgrund dar.

3. Die nach § 104a Abs. 2 AufenthG erforderliche positive Integrationsprognose kann bei der Verurteilung zu einer Strafe, die doppelt so hoch ist wie die Tagessatz-Grenze in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG, in aller Regel nicht getroffen werden.

4. Bei der Beurteilung, ob die Beendigung des Aufenthalts eines in Deutschland aufgewachsenen Ausländers eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG darstellt, kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, inwieweit der Ausländer in Deutschland verwurzelt ist. Das Ausmaß der Verwurzelung bzw. die für den Ausländer mit einer „Entwurzelung“ verbundenen Folgen sind unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 2 Abs. 1 und Art 6 Abs. 1 GG sowie der Regelung des Art. 8 EMRK zu ermitteln, zu gewichten und mit den Gründen, die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, abzuwägen. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

5. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist neben anderen Aspekten der Verwurzelung nicht nur die Dauer des Aufenthalts in Deutschland, sondern auch die Legitimität des Aufenthalts zu würdigen.

Urteil des 1. Senats vom 27. Januar 2009 - BVerwG 1 C 40.07

Ausweisung; Aufenthaltserlaubnis; maßgeblicher Zeitpunkt; Sach- und Rechtslage; besonderer Ausweisungsschutz; Ermessensausweisung; Regelausweisungsgrund; schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung; türkischer Staatsangehöriger; Kalifatstaat; Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland; Gefährdung; Aktualisierung der Ermessensentscheidung; Verhältnismäßigkeit.

Leitsätze:
1. Auch ein von den Regelausweisungstatbeständen des § 54 Nr. 5, 5a und 7 AufenthG nicht erfasstes verfassungsfeindliches Verhalten kann im Einzelfall einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG darstellen. Hierbei muss es sich nicht zwingend um ein strafbares Verhalten handeln.

2. Die Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die wegen Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik verboten worden ist, begründet für sich genommen in der Regel noch keine Gefährdung im Sinne des § 54 Nr. 5a AufenthG. Dies schließt eine andere Beurteilung bei Vorliegen besonderer Umstände jedoch nicht aus.

Urteil des 1. Senats vom 13. Januar 2009 - BVerwG 1 C 2.08

Visum; Kindernachzug; Familienzusammenführung; Altersgrenze; maßgeblicher Zeitpunkt; Sicherung des Lebensunterhalts; Sozialhilfebezug; Arbeitslosengeld II; Unterhaltsbedarf; Einkommensberechnung; Erwerbstätigenfreibetrag; Regelerteilungsvoraussetzung; Ausnahme; besondere Härte.

Leitsätze:
1. Die Berechnung des zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG notwendigen Bedarfs und des erforderlichen Einkommens richtet sich bei erwerbsfähigen Ausländern nach den entsprechenden Bestimmungen des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs SGB II über die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

2. Bei erwerbsfähigen Ausländern sind bei der Ermittlung des zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG erforderlichen Einkommens von dem Erwerbseinkommen sämtliche in § 11 Abs. 2 SGB II angeführten Beträge abzuziehen. Dies gilt auch für den Freibetrag bei Erwerbstätigkeit nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 30 SGB II und die Pauschale nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II.

Urteil des 1. Senats vom 26. August 2008 - BVerwG 1 C 32.07

Wohnsitzauflagen gegenüber anerkannten Flüchtlingen, die Sozialhilfeleistungen beziehen, verstoßen gegen Art. 23 GFK, wenn sie zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten verfügt werden.

Urteil des 1. Senats vom 15. Januar 2008 - BVerwG 1 C 17.07

Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit von Ausweisungen.

Urteil des 1. Senats vom 15. November 2007 (BVerwG 1 C 45.06)

Abschiebung; Abschiebungshaft; Aufenthaltsbestimmungsrecht; Eltern; Kinder; Kosten; tatsächlich entstandene Kosten; Haftkostenbeitrag; spezifische Kosten der Abschiebungshaft; Kostenhaftung der Eltern; Minderjährige; Veranlasser; Regelvermutung; Sicherungshaft; Abschiebungshaft bei Minderjährigen; Erforderlichkeit; Verhältnismäßigkeit.

Leitsätze:

1. Für die Kosten der Abschiebung eines minderjährigen Kindes haften neben den Kostenschuldnern des § 82 AuslG (jetzt § 66 AufenthG) auch die Eltern, wenn sie die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen ihr minderjähriges Kind nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG mitveranlasst haben.

2. Die Erstattungspflicht für Kosten einer in Justizvollzugsanstalten vollzogenen Abschiebungshaft erstreckt sich auf alle erforderlichen, tatsächlich entstandenen Kosten der Abschiebungshaft (§ 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG, jetzt: § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).

Urteil des 1. Senats vom 14. Juni 2005 - BVerwG 1 C 15.04

Abschiebung; Abschiebungshaft; Aufenthaltsbestimmungsrecht; Eltern; Kinder; Kosten; tatsächlich entstandene Kosten; Haftkostenbeitrag; spezifische Kosten der Abschiebungshaft; Kostenhaftung der Eltern; Minderjährige; Veranlasser; Regelvermutung; Sicherungshaft; Abschiebungshaft bei Minderjährigen; Erforderlichkeit; Verhältnismäßigkeit.

Leitsätze:

1. Für die Kosten der Abschiebung eines minderjährigen Kindes haften neben den Kostenschuldnern des § 82 AuslG (jetzt § 66 AufenthG) auch die Eltern, wenn sie die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen ihr minderjähriges Kind nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG mitveranlasst haben.

2. Die Erstattungspflicht für Kosten einer in Justizvollzugsanstalten vollzogenen Abschiebungshaft erstreckt sich auf alle erforderlichen, tatsächlich entstandenen Kosten der Abschiebungshaft (§ 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG, jetzt: § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).

Urteil des 1. Senats vom 14. Juni 2005 - BVerwG 1 C 15.04

Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen; Aufenthaltsbefugnis; Abschie­bungsverbot; Unmöglichkeit der Abschiebung (hier: in den Irak); Abschiebe­stopp-Erlass; freiwillige Ausreise in den Heimatstaat; zielstaatsbezogene Aus­reisehindernisse; allgemeine Gefahren; Unmöglichkeit der Ausreise; Unzumut­barkeit der Ausreise; Aufenthaltsgewährung durch oberste Landesbehörde; Kettenduldungen; Aufenthaltserlaubnis nach achtzehn Monaten Duldung.

Leitsätze:

1. Eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis kann nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG nicht schon dann erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Mona­ten ausgesetzt ist. Zusätzlich müssen vielmehr die Voraussetzungen des Sat­zes 1 der Vorschrift erfüllt sein.

2. Die Ausreise ist im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn sowohl der Abschiebung als auch der freiwilligen Ausreise rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise aus-schließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse kön­nen sich aus inlandsbezogenen und aus zielstaatsbezogenen Abschiebungs­verboten ergeben.

3. Auch bei der Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sind die Ausländerbehörden und die Gerichte an die unanfechtbare Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG gebunden (wie Urteil vom 22. November 2005 - BVerwG 1 C 18.04 - zu § 25 Abs. 3 AufenthG).

4. Es bleibt offen, ob eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG auch dann erteilt werden kann, wenn über längere Zeit durch Erlass ein Ab­schiebestopp aus humanitären Gründen angeordnet ist (hier: verneint für die Erlasslage bezüglich Irak).

Urteil des 1. Senats vom 27. Juni 2006 - BVerwG 1 C 14.05

Beförderungsverbot; Zwangsgeldandrohung; mehrstufiges Vollstreckungsverfahren; Bestandskraft; abschichtende Wirkung der Bestandskraft; Wiederaufgreifen des Ver­fahrens; Verhältnismäßigkeit im Vollstreckungsrecht; Verwaltungsakt mit Dauerwir­kung; maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt.

Leitsätze:

1. Bei der Vollstreckung eines behördlichen Beförderungsverbotes nach § 74 Abs. 2 AuslG ist die abschichtende Wirkung der Bestandskraft der Grundverfügung im Ver­hältnis zu den auf ihr beruhenden Vollstreckungsakten zu beachten.

2. Sind die Voraussetzungen für den Erlass eines Beförderungsverbots nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG nachträglich entfallen, kann das betroffene Beförderungs­unternehmen dessen Aufhebung im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG geltend machen. Erst nach erfolgreicher Durchführung die­ses Verfahrens und Aufhebung des Beförderungsverbots wird die Zwangsgeldan­drohung rechtswidrig.

Urteil des 1. Senats vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 30.03