Verzicht auf Asylverfahren; Einstellung; Rücknahme; Abschiebungsandrohung; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.;

Leitsatz:

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist auch bei einer Einstellung des Verfahrens im Fall des Verzichts gemäß § 14a Abs. 3 AsylVfG berechtigt, eine Abschiebungsandrohung zu erlassen.

Urteil des 10. Senats des BVerwG vom 17. Dezember 2009 (BVerwG 10 C 27.08).

Bundesverwaltungsgericht der Schweiz: Grundsatzurteil zur Überstellungspraxis im Dublin II Verfahren

Mit Urteil vom 2. Februar 2010 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) die Beschwerde eines aus Afghanistan stammenden Asylbewerbers gegen die Verfügung des Bundesamts für Migration (BFM) vom 14. September 2009
gutgeheißen. Das BFM war auf sein Asylgesuch nicht eingetreten und hatte seine Wegweisung nach Griechenland angeordnet und diese sofort vollzogen. Nach Auffassung des BVGer verstößt die Praxis des BFM, in Dublin-Verfahren Beschwerdeführende sofort in den zuständigen Dublin-Mitgliedstaat zu überstellen, sobald diesen der diesbezügliche Entscheid des BFM mitgeteilt wird, gegen das Gebot des wirksamen Rechtsschutzes. Das BVGer weist das BFM an,
die Wegweisung während eines gewissen Zeitraums nicht zu vollziehen, damit die betroffene Person ihr Recht auf vorläufigen Rechtsschutz geltend machen kann und sich das BVGer zum Gesuch um aufschiebende Wirkung äußern kann,
solange die beschwerdeführende Person sich in der Schweiz befindet.

Der 1934 in Misan geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger chaldäischen (katholischen) Glaubens.

Urteil des 1. Senats vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 16.05

Stichworte:
Widerruf der Flüchtlingsanerkennung (Irak); Unverzüglichkeit des Widerrufs; Jahresfrist für Widerruf; Prognosemaßstab bei andersartiger Rückkehrverfolgung; innerer Zusammenhang zwischen früherer Verfolgung und Rückkehrverfolgung; private Verfolgung; nichtstaatliche Akteure; nichtstaatliche Gruppenverfolgung; Gruppenverfolgung durch Private; Maßstab für nichtstaatliche Gruppenverfolgung; Verfolgungsdichte; Berufungsbegründung.

Leitsätze:

1. Die Grundsätze für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung (hier: von Christen im Irak) durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch das Zuwanderungsgesetz ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist.

2. Droht dem (hier: wegen des subjektiven Nachfluchtgrunds der Asylantragstellung in Deutschland) anerkannten Flüchtling im Falle des Widerrufs bei der Rückkehr in seinen Heimatstaat keine Verfolgungswiederholung, sondern eine gänzlich neue und andersartige Verfolgung (hier: wegen der Religionszugehörigkeit durch Private), ist der allgemeine Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden.

Urteil des 1. Senats vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05

Stichworte:
Asylfolgeverfahren; Wiederaufgreifen des Verfahrens; Ermessen; Ermessensreduzierung; zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis; Krankheit; medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat; Abschiebestopp-Erlass; Spruchreife; gerichtliche Aufklärungspflicht.
Leitsätze:

1. Bei einer Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 AuslG i.V.m. § 51 Abs. 5, §§ 48, 49 VwVfG ist das Ermessen zugunsten des Ausländers regelmäßig auf Null reduziert, wenn er im Zielstaat der drohenden Abschiebung einer extremen individuellen Gefahr ausgesetzt wäre.

2. Die Verwaltungsgerichte sind auch in solchen Verfahren gehalten, die Sache zulasten oder zugunsten des Ausländers so weit wie möglich spruchreif zu machen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), bevor sie das Bundesamt zu einer Neubescheidung verpflichten.

Urteil des 1. Senats vom 20. Oktober 2004 - BVerwG 1 C 15.03

Stichworte:
Kalif von Köln; zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse; Foltergefahr; menschenunwürdige Behandlung; unmenschliche Haftbedingungen; lebenslange Freiheitsstrafe; Krankheit; faires Verfahren; durch Folter erpresste Aussagen; Religionsfreiheit; Familienschutz; Staatsschutzdelikte; Rechtsschutz durch EGMR; Zurückweisung von Erklärungen und Beweismitteln.

Leitsatz:
Bei der Abschiebung in einen anderen Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention besteht eine Mitverantwortung des abschiebenden Staates, die Konventionsrechte im Zielstaat der Abschiebung zu gewährleisten, nur dann, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen ist.

Urteil des 1. Senats vom 7. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 14.04

Die Kläger begehren ihre Anerkennung als Flüchtlinge nach § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im Hinblick auf eine ihnen in Syrien bzw. der Türkei drohende politische Verfolgung.
Die in der Provinz Hassake in Syrien geborenen Kläger sind kurdische Volkszugehörige jezidischer Religionszugehörigkeit. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, sie seien in Syrien nicht registriert gewesen und besäßen deshalb keine Personaldokumente; als Angehörige der jezidischen Minderheit seien sie insbesondere von den Moslems schikaniert worden.

Urteil des 1. Senats vom 12. Juli 2005 - BVerwG 1 C 12.04

Das Verfahren betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen einem nach § 51 Abs. 1 AuslG bestandskräftig anerkannten Flüchtling eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen ist und inwiefern etwaige Zweifel an seiner Identität und Staatsangehörigkeit insoweit von Bedeutung sind.

Urteil des 1. Senats vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 1 C 12.02

Stichworte:
Familieneinheitliches Asylverfahren; Verfahrenseinleitung auf Anzeige; Verfahrenseinleitung von Amts wegen; unverzügliche Anzeige; fiktiver/fingierter Asylantrag; intertemporales Verfahrensrecht; echte/unechte Rückwirkung; Sperre für die Erteilung eines Aufenthaltstitels; Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet; Aufhebung des Offensichtlichkeitsurteils; isolierte Anfechtung; isolierte Anfechtungsklage; Rechtsschutzbedürfnis; Auslegung der Klageanträge im Asylprozess.

Leitsätze:
1. § 14a Abs. 2 AsylVfG gilt auch für vor dem 1. Januar 2005 in Deutschland geborene Kinder.

2. Ein nach § 14a Abs. 2 AsylVfG als gestellt geltender Asylantrag kann nicht nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden.

3. Ein isolierter Anfechtungsantrag gegen einen negativen Asylbescheid nach § 14a Abs. 2 AsylVfG ist im Zweifel so auszulegen, dass daneben hilfsweise die Verpflichtung begehrt wird, Asyl und Abschiebungsschutz zu gewähren.

Urteil des 1. Senats vom 21. November 2006 - BVerwG 1 C 10.06

Stichworte:
Apostasie; Abfall vom Islam; Konversion; konvertierte Muslime; Glaubenswechsel; Übertritt zum christlichen Glauben; asylrechtlicher Abschiebungsschutz; Flüchtlingsbegriff; Flüchtlingseigenschaft; Flüchtlingsanerkennung; Verfolgung; Religionsfreiheit; religiöse Verfolgung; religiöses Existenzminimum; forum internum; Gottesdienstbesuch im Iran.

Leitsatz:
Das Verbot für zum Christentum konvertierte Muslime (hier: im Iran), an "öffentlichen oder offiziellen" Gottesdiensten der christlichen Kirchen teilzunehmen, verletzt noch nicht das asylrechtlich geschützte religiöse Existenzminimum. Eine solche Verletzung kommt grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn sie sich auch zum gemeinsamen Gebet und Gottesdienst mit Gleichgesinnten abseits der Öffentlichkeit nicht ohne asylerhebliche Gefährdung zusammenfinden können.

Urteil des 1. Senats vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 C 9.03

Die Kläger, in Deutschland geborene Kinder abgelehnter Asylbewerber aus dem Libanon, wenden sich gegen die behördliche Einleitung eines Asylverfahrens nach § 14a Abs. 2 AsylVfG und begehren die Aufhebung des danach ergangenen negativen Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt).

Urteil des 1. Senats vom 21. November 2006 - BVerwG 1 C 8.06

Stichworte:
Familienasyl; Familienasylverfahren; statusrechtliche Gleichstellung der Familienangehörigen; Stammberechtigter; Widerruf; Widerrufsverfahren; Widerrufsvoraussetzungen; Inzidentprüfung; Bindungswirkung.

Leitsatz:
Die Verwaltungsgerichte sind im Familienasylverfahren nach § 26 Abs. 2 AsylVfG weder verpflichtet noch berechtigt, Gründe für den Widerruf der Asylanerkennung des Stammberechtigten nach § 73 Abs. 1 AsylVfG zu prüfen, solange der Leiter des Bundesamts ein Widerrufsverfahren nicht eingeleitet und den betroffenen Stammberechtigten hierzu nicht angehört hat.

Urteil des 1. Senats vom 9. Mai 2006 - BVerwG 1 C 8.05

Der 1982 geborene Beigeladene stammt aus dem Kosovo und kam Ende April 1997 über Tschechien nach Deutschland zu seinem Vater, der seit April 1995 bestandskräftig als Asylberechtigter anerkannt ist. Dem Asylantrag des Beigeladenen gab das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - durch Bescheid vom 13. Juni 1997 nach § 26 Abs. 2 AsylVfG statt.

Urteil des 1. Senats vom 25. April 2005 - BVerwG 1 C 6.04

Die Klägerin und der Kläger sind die in den Jahren 2000 und 2001 in Berlin ge¬borenen Kinder eines Libanesen und einer Palästinenserin ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon. Sie wenden sich gegen die behördliche Einleitung eines Asylverfahrens nach § 14a Abs. 2 AsylVfG und begehren die Aufhe¬bung des danach ergangenen negativen Bescheids des Bundesamts für Migra¬tion und Flüchtlinge (Bundesamt).

Urteil des 1. Senats vom 21. November 2006 - BVerwG 1 C 5.06

Aufenthaltsbefugnis; rechtmäßiger Aufenthalt; Aufklärungspflicht; Flüchtling; Genfer Flüchtlingskonvention; Identifikationsfunktion; Identitätsnachweise; Identitätszweifel; Mitwirkung; öffentliche Ordnung; ordre public; Pass; Passersatzpapier; Personalausweis; Reiseausweis; Reisepass; Konventionspass; öffentliche Sicherheit; Vermerk.

Leitsätze:
1. Eine Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG begründet einen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK.

2. Beantragt ein nach § 51 Abs. 1 AuslG anerkannter Flüchtling einen Konventions-Reiseausweis und ergeben sich aufgrund neuer Tatsachen oder des Fehlens von geeigneten Dokumenten ernsthafte Zweifel an seiner Identität, so kann die Ausländerbehörde hierzu weitere Nachweise verlangen, soweit dies dem Flüchtling zumutbar ist.

3. Unterbleibt in einem solchen Fall eine zumutbare Mitwirkung oder ist sie unzureichend und lässt sich die Identität auch nicht auf andere Weise klären, so darf die Ausländerbehörde die Ausstellung des Reiseausweises ablehnen.

4. Ist eine Klärung der Identität wegen Unzumutbarkeit der Mitwirkung oder trotz der Mitwirkung des Flüchtlings nicht möglich, darf der Reiseausweis nicht verweigert werden. In diesem Fall kann der Vermerk angebracht werden, dass die Personalien auf eigenen Angaben beruhen.

Urteil des 1. Senats vom 17. März 2004 - BVerwG 1 C 1.03

Innerstaatliche Fluchtalternative für Tschetschenen in der Russischen Föderation, Anforderungen an die Verfolgungsdichte, Zumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative, Maßstab des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG

Urteil des 1. Senats vom 1. Februar 2007 - BVerwG 1 C 24.06