1. Die Strafbarkeit wegen Versuchs des Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3; § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG bestimmt sich nach den §§ 22 ff. StGB.
  2. Für die Prüfung des unmittelbaren Ansetzens kann die Rechtsprechung zur versuchten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB herangezogen werden.
  3. Darauf, ob auch zur unerlaubten Einreise selbst unmittelbar angesetzt worden ist, kommt es nicht an.

Durch arglistige Täuschung der zuständigen Behörden des Ausstellermitgliedstaats über den wahren Reisezweck erlangte, jedoch formell bestandskräftige Visa von Drittstaatsangehörigen schließen deren Strafbarkeit wegen illegaler Einreise und illegalen Aufenthalts (§ 95 Abs. 1 Nr. 2, 3 AufenthG) sowie eine Strafbarkeit gemäß den hieran anknüpfenden Schleusungstatbeständen der §§ 96, 97 AufenthG nach § 95 Abs. 6 AufenthG verfassungsrechtlich unbedenklich nicht aus; Unionsrecht steht dem nicht entgegen (im Anschluss an die Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union durch Urteil vom 10. April 2012 in der Rechtssache C-83/12 PPU).

Illegale Einreise; Beihilfe; Garantenstellung; Gemeinschaftsbeziehung; gefahrerhöhendes Verhalten

Leitsätze (nicht amtlich:

Keine Garantenstellung für das Leben einer verstorbenen Ausländerin aus dem Umstand, dass die in einer Gruppe illegal eingereisten Personen in eine enge Gemeinschaftsbeziehung eingetreten sind. Die bloße Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft begründet noch keine gegenseitigen Hilfspflichten. Dafür wäre vielmehr die Übernahme einer Schutzfunktion gegenüber einem Hilfsbedürftigen aus dieser Gruppe vonnöten gewesen

Ein gegen die Rechtsordnung verstoßendes Vorverhalten (hier: Beihilfe zu illegalen Einreise) genügt zur Annahme einer Garantenstellung allein noch nicht. Zur Annahme einer Garantenstellung ist es darüber hinausgehend im Sinne einer Eingrenzung erforderlich, dass der Täter durch sein Vorverhalten über die bloße Erfolgsursächlichkeit und Pflichtwidrigkeit hinaus die nahe Gefahr für den Schadenseintritt geschaffen hat.

Urteil des 5. Strafsenats vom 04. Dezember 2007 - BGH 5 StR 324/07

Illegaler Aufenthalt; Duldungsanspruch; Untertauchen

Leitsatz (nicht amtlich).

Wer durch Untertauchen die Erteilung einer Duldung verhindert, hält sich auch dann illegal im Bundesgebiet auf, wenn er Anspruch auf die Erteilung der Duldung hat.

Urteil des 1. Strafsenats vom 06. Oktober 2004 - BGH 1 StR 76/04

Gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern; Osteuropa; Altfall

Leitsatz (nicht amtlich):

Die bloße Änderung des persönlichen Anwendungsbereichs der Aufenthaltsgenehmigungspflicht durch den Beitritt verschiedener osteuropäischen Staaten zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 ist keine im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB relevante Änderung des Einschleusungstatbestandes, weil sich damit der Inhalt der strafbewehrten Verhaltensnorm nicht geändert hat. Entscheidend kommt es allein darauf an, ob der Aufenthalt des betreffenden Ausländers zur Tatzeit genehmigungspflichtig war und ob in diesem Fall die erforderliche Genehmigung vorlag oder nicht.

Die dem früheren § 92a AuslG entsprechende Strafnorm des zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes (§ 96 AufenthG) stellt im vorliegenden Fall auch kein milderes Gesetz im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB dar.

Beschluss des 5. Strafsenats vom 11. Mai 2005 - BGH 5 StR 122/05

Unerlaubter Aufenthalt; "erforderliche" Aufenthaltsgenehmigung i.S. der §§ 3 Abs. 1, 58 Abs. 1 AuslG

Leitsatz (nicht amtlich).

Die Beantwortung der Frage, ob die Einreise oder der Aufenthalt eines Ausländers "unerlaubt" ist, ist auf der Grundlage der einschlägigen verwaltungsrechtlichen Vorschriften zu entscheiden. Eine nach verwaltungsrechtlichen Regeln wirksam erlassene Erlaubnis entfaltet aber im Ausländerrecht, wie auch sonst bei verwaltungsakzessorischen Straftatbeständen Tatbestandswirkung.

Mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG kommt es bei der Prüfung, ob ein strafbares Verhalten im Sinne der § 92 Abs. 1 Nr. 1 und 6, § 92 a Abs. 1 AuslG vorliegt, deshalb allein auf eine formell wirksame Einreise- oder Aufenthaltsgenehmigung an.

Urteil des 2. Strafsenats vom 27. April 2005 - BGH 2 StR 457/04

Gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern; Beschäftigung osteuropäischer Prostituierter; Beihilfe zum illegalen Aufenthalt von „Positivstaatlern“

Leitsatz (nicht amtlich):

Gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern in Gestalt von Beihilfe zum illegalen Aufenthalt begeht, wer Ausländer beschäftigt, die sich nur dann ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufhalten dürfen, solange sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen (sogenannte „Positivstaatler“), und ihren Aufenthalt damit illegal macht (hier: Beschäftigung von osteuropäischen Prostituierten in Bordellen).

Beschluss des 5. Strafsenats vom 28. Oktober 2004 - BGH 5 StR 2/04


Unerlaubte Einreise; unerlaubter Aufenthalt; Urkundenfälschung; Tateinheit

Leitsatz (nicht amtlich):

Wer einen verfälschten ausländischen Reisepass mit sich führt, um sich bei einer Kontrolle mit der falschen Identität auszuweisen und damit seine illegale Einreise und seinen illegalen Aufenthalt zu verschleiern, handelt in Tatmehrheit.

Beschluss des 2. Strafsenats vom 07. Mai 2004 - BGH StR 24/04

Einschleusen von Ausländern über einen sog. Schengen-Staat; keine Qualifikation für wiederholte und/oder bandenmäßige Tatbegehung

Leitsatz (nicht amtlich):

Die Vorschrift des § 92a Abs. 4 AuslG erfasst nur die entgeltliche oder die gewerbsmäßige, nicht aber auch die wiederholte oder bandenmäßige Tatbegehung im Sinne von § 92a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 AuslG, denn in § 92a Abs. 4 AuslG wird nur auf § 92a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AuslG verwiesen.

Beschluss des 4. Senats vom 09. September 2003 - BGH 4 StR 269/03

Vertragsstaat im Sinne des Schengener Übereinkommens; Schleusen von Ausländern in Schengen-Staaten

Leitsätze (nicht amtlich):

Im Sinne des § 92 a Abs. 4 AuslG ist "Vertragsstaat" des Schengener Übereinkommens vom 19. Juni 1990 jeder Mitgliedstaat, in dem das Übereinkommen in Kraft getreten ist. Die Anwendbarkeit der Vorschrift setzt nicht voraus, dass das Übereinkommen zwischen dem betreffenden Staat und den übrigen Mitgliedstaaten auch bereits in Kraft gesetzt worden ist.

Beschluss des 4. Strafsenats vom 12. September 2002 - BGH 4 StR 163/02

Erforderliche Aufenthaltsgenehmigung im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG.

Leitsatz (nicht amtlich):
Ein Negativstaater reist nur dann unerlaubt ein, wenn er ohne jegliches Visum die Grenze überschreitet.
Die Einreise zum Zweck der Arbeitsaufnahme mit einem Touristenvisum ist nicht strafbar nach § 92 Abs. 1 Nr 1 und Nr. 6 AuslG.

Urteil des 3. Strafsenats vom 11. Februar 2000 - BGH 3 StR 308/99

Ausschleusen von Asylbewerbern in Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens; gewerbs- und bandenmäßiges EInschleusen

Leitsätze (nicht amtlich)

Die Erstreckung des Schutzbereichs des Tatbestandes des Einschleusens von Ausländern auf die Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens vom 19. Juni 1990 (§ 92a Abs. 4 AuslG) hat zur Folge, dass die Strafvorschrift auch dann anzuwenden ist, wenn Asylbewerber, die sich in der Bundesrepublik Deutschland legal aufhalten, von hier "ausgeschleust" und in einen anderen Vertragsstaat des Schengener Übereinkommens unter Zuwiderhandlung gegen dessen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen eingeschleust werden.

Während nach § 92a Abs. 4 AuslG nur die gewerbsmäßige Tatbegehung, nicht aber die bandenmäßige erfaßt wird, erhebt § 92b Abs. 1 AuslG das gewerbs- und bandenmäßige Einschleusen in einen sog. Schengen-Staat zum Verbrechen.

Beschluss des 1. Strafsenats vom 08. November 2000 (BGH 1 StR 447/00)