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Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hat die Verantwortung für die umstrittene Liberalisierung der Einreisepolitik übernommen und der Opposition eine «unsägliche Skandalisierung» der Visa-Affäre vorgeworfen. Schleuserkriminalität, Zwangsprostitution und Schwarzarbeit gebe es nicht erst seit dem Regierungswechsel 1998, sagte Fischer heute bei einer live vom Fernsehen übertragenen Sitzung des Visa-Untersuchungsausschusses in Berlin. Es sei «infam und niederträchtig», wenn die Union dafür die grüne Visa-Politik verantwortlich mache.

Fischer betonte, sein Fehler sei es gewesen, bei den Missständen in Kiew «nicht früh genug und nicht schnell genug eingegriffen» zu haben. «Diesen Fehler muss ich mir vorhalten lassen.» Er habe von den Missständen vor seinem Kiew-Besuch im Sommer 2000 erfahren, sie aber vor allem als Ressourcen- und Personalproblem eingestuft.

Die umstrittene, bislang als «Volmer»-Erlass bekannte Anweisung aus dem Auswärtigen Amt vom 3. März 2000 («Im Zweifel für die Reisefreiheit») sei weder ein «kalter Putsch» einer Amtsführung noch ursächlich für den Visa-Missbrauch an der deutschen Botschaft in Kiew. «Kiew war ein singulärer Fall», betonte Fischer. Keinen Zweifel ließ der Minister an der Zuständigkeit für den Erlass vom März 2000: «Ich bin dafür verantwortlich.» Darum sei er dafür, dass der Erlass konsequenterweise auch «Fischer-Erlass» genannt werde.

In der morgigen Vernehmung von Außenminister Joschka Fischer (Grüne) am 25.04 im Visa-Untersuchungsausschuss spielen zahlreiche Erlasse aus dem Auswärtigen Amt (AA) eine wichtige Rolle. Im Folgenden eine Erläuterung zentraler Begriffe und Kernaussagen der wichtigsten Anweisungen:

«BONITÄTS»-Erlass vom 2. September 1999: Diese Verfügung wies an, dass Visa-Anträge nicht allein deshalb abgelehnt werden dürfen, weil die finanzielle Situation (Bonität) des deutschen Einladers von den Ausländerbehörden nicht geprüft wurde. Die Prüfung ist Teil der «VERPFLICHTUNGSERKLÄRUNG», mit dem der Einlader sich auf einem Formular quasi zum Bürgen des Antragstellers erklärt.

«PLUREZ»-Erlass vom 15. Oktober 1999: Die Visa-Stellen der Botschaften sollten bei Vorlage einer ADAC-Reiseschutzversicherung («Carnet de Touriste») zur Prüfung eines Kurzzeitvisums «in der Regel» auf weitere Unterlagen des Antragstellers zum Reisezweck, zur Finanzierung und Rückkehrbereitschaft verzichten.

«VOLMER»-Erlass vom 3. März 2000: Die nach Ex-Staatsminister Ludger Volmer benannte Anweisung enthält die umstrittene Formulierung «in dubio pro libertate» («Im Zweifel für die Reisefreiheit»), deren konkreter Verfasser aber noch unbekannt ist. Der Leitsatz sollte angewendet werden, wenn sich nach Abwägung des Einzelfalls die tatsächlichen Umstände, «die für und gegen eine Erteilung des Besuchsvisums sprechen, die Waage halten».

«CHROBOG»-Erlass vom 26. Oktober 2004: Die nach AA-Staatssekretär Jürgen Chrobog benannte Anweisung verschärft die Voraussetzung zur Visa-Erteilung und ersetzt den «Volmer»-Erlass.

WASHINGTON ? Am vergangenen Sonntag, den 17. April 2005 trafen sich die führenden sieben Industriestaaten (G7) in Washington zur Frühjahrstagung des internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. Außer der Beteuerung der gemeinsamen Ziele, gelang es nicht, Einigung über den einzuschlagenden Weg zur Armutsreduzierung und die Frage der Entschuldung der ärmsten Länder der Welt zu erzielen. Damit ist eine weitere Gelegenheit zur Bekämpfung von Armut als eine der Hauptursachen für Migrationsbewegungen ungenutzt verstrichen.

Wegen eines «Ehegattenprivilegs» für den früheren Büroleiter von Außenminister Joschka Fischer kam es nach Informationen von stern.de, dem Online-Dienst des Magazins stern, zu einem bislang unbekannten internen Konflikt im Auswärtigen Amt. Fischer ließ seinen damaligen Büroleiter Martin Kobler im August 2003 als Botschafter nach Kairo versetzen. Als Gesandte und damit zweite Person in der Botschaftshierarchie schickte das Außenministerium Koblers Ehefrau Britta Wagener nach Kairo. Sie amtierte bis dahin als Referatsleiterin in der Abteilung für Globale Fragen des Auswärtigen Amtes.

Außenminister Joschka Fischer wird am 25. April vor dem Visa- Untersuchungsausschuss aussagen. Union, SPD und Grüne streiten weiter über eine mögliche Fernsehübertragung seiner Vernehmung. Die CDU/CSU will nur zustimmen, wenn das für sämtliche Zeugenvernehmungen gelten soll. Eine Sonderregelung allein für die Aussage von Außenminister Joschka Fischer am 25. April lehnt sie ab.

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