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Rechtsprechung Asylrecht und Ausländerrecht

Bundesverwaltungsgericht, Urteil des 1. Senats vom 13. September 2005 - BVerwG 1 C 7.04, Abschaffung des Vorverfahrens in Baden-Württemberg

Die Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Auswirkungen der Abschaffung des Vorverfahrens in Baden-Württemberg liegt nunmehr vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat folgende drei Leitsätze aufgestellt:

  1. Die gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgarantien des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, die unmittelbar für Unionsbürger bei behördlicher Beendigung ihres Aufenthalts gelten, sind auch auf türkische Arbeitnehmer anzuwenden, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 haben.

Bleiberecht für Flüchtlinge mit langjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet

Die 4. und 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Darmstadt haben in zwei Entscheidungen - Urteil vom 22.11.2005 und Beschluss vom 21.12.2005 - die Rückführung von Familien nach Serbien und Montenegro für unzulässig erklärt, wenn diese in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht faktisch in die Bundesrepublik Deutschland und die hier herrschenden Lebensverhältnisse integriert sind.

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde des ausländischen Vaters eines deutschen Kindes gegen drohende Abschiebung

Die Verfassungsbeschwerde eines seit 1999 in Deutschland lebenden serbisch-montenegrinischen Vaters einer 5jährigen deutschen Tochter, dessen Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert worden war, war erfolgreich. Die 2. Kammer des Zweiten Senats hob die Eilrechtsschutz versagenden Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs auf, da sie den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 6 GG (Schutz der Familie) verletzten. Die Gerichte hätten bei ihrer Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren die familiären Bindungen des Beschwerdeführers an seine im Bundesgebiet lebende Tochter nicht angemessen berücksichtigt. Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in der Rechtssache Keles mit Urteil vom 27.10.2005 ? 3223 1/02 ? eine Ausweisung, die unbefristet verfügt worden war, für unvereinbar mit Art. 8 Abs. 2 EMRK erklärt. 

Der EGMR vertrat die Auffassung, dass bei einer Entscheidung über eine Ausweisung gemäß Art. 8 EMRK zu prüfen sei, ob sie unbefristet zulässig ist. Bei dieser Prüfung seien Umstände zu würdigen wie die Art der begangenen Straftaten, die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, die Frage, ob der Ausländer über eine Niederlassungserlaubnis verfügt, und die Schwierigkeiten, mit denen seine Kinder in der Türkei konfrontiert wären.

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