Nachrichten Ausländerrecht: Europa und EU

Nachrichten Ausländerrecht: Europa + EU

Die Generalanwältin beim EuGH Verica Trstenjak legte am 11. Mai 2010 ihre Schlussanträge in der Rechtssache C‑162/09 (Secretary of State for Work and Pensions gegen Taous Lassal) vor.

Das Vorabentscheidungsersuchen nach gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, sich zu den Voraussetzungen für den Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt nach Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG zu äußern. Nach Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie erwirbt jeder Unionsbürger, der sich fünf Jahre lang ununterbrochen in einem Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, ein Recht auf Daueraufenthalt.

Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil vom 29. April 2010 überraschend den erstmaligen Zuzug von Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen als vom Anwendungsbereich der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 erfasst angesehen. In dem Vertragsverletzungsverfahren der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen das Königreich der Niederlande (Rs. C-92/07) ging es um die Gebühren für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Entscheidung hat weitreichende Folgen für den Nachzug von Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer.

Mit ihrer Klage beantragte die Kommission u.a. festzustellen, dass die Niederlande durch die Einführung und Beibehaltung einer Regelung für die Ausstellung von Aufenthaltserlaubnissen höhere Gebühren als diejenigen vorsieht, die von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sowie für die Ausstellung entsprechender Dokumente verlangt werden, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 13 ARB 1/80 verstoßen hat. 

Art. 13 dieses Beschlusses lautet: „Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen."

Das Königreich der Niederlande machte geltend, dass die Stillhalteklausel nicht auf die erstmalige Aufnahme von türkischen Arbeitnehmern in einem Mitgliedstaat anzuwenden sei.

 Würdigung durch den Gerichtshof

Der EuGH legt zunächst dar, dass Art. 13 ARB 1/80 gerade auch die türkischen Staatsangehörigen erfasst, die noch keine Rechte in Bezug auf Beschäftigung und entsprechend auf Aufenthalt nach Art. 6 Abs. 1 dieses Beschlusses genießen. Außerdem legt er dar, dass die Stillhalteklausel in Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 und diejenige in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls gleichartig seinen und die beiden Klauseln dasselbe Ziel verfolgen.

Anschließend folgt unter Randnummer 49 die wichtige Feststellung: „ Daraus folgt, dass Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 von dem Zeitpunkt an, zu dem dieser Beschluss in den Niederlanden in Kraft getreten ist, der Einführung neuer Beschränkungen der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in das niederländische Recht einschließlich solchen entgegensteht, die die materiell- und/oder verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die erstmalige Aufnahme türkischer Staatsangehöriger im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats betreffen, die dort von dieser Freiheit Gebrauch machen wollen.

50 Demnach gelten die Stillhalteklauseln in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls und Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 von dem Zeitpunkt an, zu dem diese Bestimmungen in Kraft getreten sind, für alle Gebühren, die türkischen Staatsangehörigen für die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis bei der erstmaligen Aufnahme im Hoheitsgebiet der Niederlanden oder für die Verlängerung einer solchen Erlaubnis auferlegt werden."

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 

1. Das Königreich der Niederlande hat durch die Einführung und Beibehaltung einer Regelung für die Ausstellung von Aufenthaltserlaubnissen, die Gebühren vorsieht, die im Vergleich zu den von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten für die Ausstellung entsprechender Dokumente verlangten Gebühren unverhältnismäßig sind, und durch die Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht in den Niederlanden haben gemäß

– dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei, das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnet und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde; 

– dem Zusatzprotokoll, das am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichnet und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde; 

– dem Beschluss Nr. 1/80, der am 19. September 1980 vom Assoziationsrat erlassen wurde, der durch das Assoziierungsabkommen eingeführt wurde und aus Mitgliedern der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Rates der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften einerseits und Mitgliedern der türkischen Regierung andererseits zusammengesetzt ist, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 9 des Assoziierungsabkommens, Art. 41 des Zusatzprotokolls und aus den Art. 10 Abs. 1 und 13 des Beschlusses Nr. 1/80 verstoßen. 

2. Das Königreich der Niederlande trägt die Kosten. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.

 Anmerkung

Die Standstill-Problematik erfordert eine Differenzierung zwischen den begünstigten Personengruppen, da sich nicht alle türkische Staatsangehörige auf Standstill-Klauseln berufen können und die einschlägigen Bestimmungen zudem unterschiedliche Voraussetzungen aufweisen. Demgemäß muss genau geprüft werden, ob und ggf. welcher der verschiedenen Standstill-Klauseln der jeweilige türkische Staatsangehörige unterfällt. Dabei macht es einen Unterschied, ob es sich um Arbeitnehmer, deren Familienangehörige, Selbständige oder Dienstleistungserbringer bzw. -empfänger handelt.

Insgesamt sind folgende Bestimmungen anzuwenden:

• Für Arbeitnehmer: Art 7 ARB 2/76.

• Für Familienangehörige der Arbeitnehmer: Art 13 ARB 1/80.

• Für Selbständige: Art 41 I Zusatzprotokoll.

• Für Dienstleistungserbringer und -empfänger: Art 41 I Zusatzprotokoll. 

Bei der Anwendung der einzelnen Standstill-Klauseln sind nicht nur die unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen zu beachten, sondern auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sie zu unterschiedlichen Zeiten wirksam geworden sind. Dabei gilt für die Anwendbarkeit:

• Das Zusatzprotokoll vom 23.11.1970 ist am 1.1.1973 in Kraft getreten.

• Der ARB 1/80 vom 19.9.1980 ist am 1.7.1980 in Kraft getreten. Nach Art 16 ARB 1/80 ist aber Art 13 ARB 1/80 erst ab dem 1.12.1980 anwendbar.

• Der ARB 2/76 vom 20.12.1976 ist am 1.12.1976 in Kraft getreten. 

Für Arbeitnehmer ist unmittelbar Art 7 ARB 2/76 und nicht erst Art 13 ARB 1/80 anwendbar. Denn diese Bestimmung enthielt eine Standstill-Klausel, deren Wortlaut sich nur dadurch von Art 13 ARB 1/80 unterscheidet, dass sie ausschließlich Arbeitnehmer und nicht auch deren Familienangehörige begünstigt. Erst durch Art 13 ARB 1/80 wurde nach „Arbeitnehmer" zusätzlich die Worte „und ihre Familienangehörige" aufgenommen. Damit stärkt der ARB 1/80 die Rechtsstellung der Familienangehörigen, was auch beabsichtigt war, wie seiner Vorbemerkung entnommen werden kann: „Im sozialen Bereich führen die vorstehenden Erwägungen im Rahmen der internationalen Verpflichtungen jeder der beiden Parteien zu einer besseren Regelung zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen gegenüber der mit Beschluss Nr. 2/76 des Assoziationsrats eingeführten Regelung." 

Die Standstill-Klausel des Art 7 ARB 2/76 findet neben Art 13 ARB 1/80 Anwendung, so dass alle seither eingetretenen aufenthalts- und arbeitsmarktrechtlichen Beschränkungen auf türkische Arbeitnehmer nicht erst seit dem 1.12.1980, sondern bereits seit dem 1.12.1976, dh dem Inkrafttreten des ARB 2/76, unanwendbar sind. Nach Auffassung des EuGH ist der ARB 2/76 zwar grundsätzlich unanwendbar, da der ARB 1/80 für die türkischen Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen günstigere Regelungen enthält. Dieser Vorrang des ARB 1/80 vermag aber nicht für die Standstill-Klausel des Art 7 ARB 2/76 zu gelten, denn andernfalls würde der Rechtsstatus der Arbeitnehmer in zeitlicher Hinsicht verschlechtert, weil alle negativen aufenthalts- und arbeitsrechtlichen Veränderungen bis zum Inkrafttreten des ARB 1/80 am 1.12.1980 plötzlich wirksam geworden wären . Ein dahin gehender Wille des Assoziationsrates kann dem ARB 1/80 nicht entnommen werden; vielmehr sollte auch die Rechtsstellung der Arbeitnehmer verbessert werden.

Nach Art 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei „für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörige, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neue Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen." Die Vorschrift, die rechtlich eine reine Unterlassungspflicht beinhaltet, verleiht nicht unmittelbar ein Aufenthaltsrecht, sondern verwehrt den Vertragsparteien, die innerstaatlichen Regelungen für die Begünstigten gegenüber dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Klausel zu erschweren. Nicht erfasst werden daher Beschränkungen, die eine Vertragspartei bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Standstill-Klausel erlassen hatte; deren Beibehaltung, auch in veränderter Form, ist daher grundsätzlich unschädlich. 

Begünstigt werden türkische Staatsangehörige, deren Aufenthalt und Beschäftigung ordnungsgemäß sein müssen. Das Tatbestandsmerkmal „ordnungsgemäß" bezieht sich ausdrücklich auch auf den Aufenthaltsstatus und nicht nur – wie Art 6 ARB 1/80 – auf die Ausübung einer Beschäftigung. Das Merkmal ordnungsgemäß stellt damit sicher, dass die türkischen Staatsangehörigen sich im Einklang mit den nationalen Bestimmungen im Bundesgebiet aufhalten müssen, so dass weder aus einem illegalen Aufenthalt noch einer unrechtmäßigen Beschäftigung rechtliche Vorteile abgeleitet werden können. 

Indem die Standstill-Klausel daran anknüpft, dass der Aufenthalt in dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei ordnungsgemäß sein muss, wird an sich – wie das Königreich der Niederlande im Vertragsverletzungsverfahren vorgetragen hatte – vorausgesetzt, dass nur Personen erfasst werden, denen der Zuzug in das Bundesgebiet gestattet wurde. Würde die Standstill-Klausel aber erst zur Anwendung, wenn dem türkischen Staatsangehörigen die Einreise in das Bundesgebiet nach den nationalen bzw. supranationalen Bestimmungen gestattet worden war, so würden die Einreisebestimmungen selbst – jedenfalls für den erstmaligen Zuzug – nicht von der Standstill-Klausel erfasst.

Dieser Auslegung hat nunmehr der EuGH – entgegen dem klaren Wortlaut des Art. 13 ARB 1/80 – widersprochen und damit auch den erstmaligen Zuzug von Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen als vom Anwendungsbereich der Stillhalteklausel erfasst angesehen. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Frage der Gebührenhöhe, sondern strahlt auch in den Bereich der sonstigen Zuzugsverschärfungen aus. So stellt sich die Frage, ob auch die Sprachanforderungen gegenüber türkischen Familienangehörigen aufrechterhalten werden dürfen, wenn die die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die erstmalige Aufnahme türkischer Staatsangehöriger von Art. 13 ARB 1/80 erfasst werden.

Führt man die Rechtsprechung des EuGH konsequent weiter, so kann dies nur dazu führen, dass die Nachzugsvoraussetzungen gegenüber Ehegatten, die sich auf die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 berufen können, weil sich ihr Ehepartner im Bundesgebiet als Arbeitnehmer aufhält, nicht gegenüber dem Rechtszustand am 1. Dezember 1980 verschärft werden dürfen. Damit sind Sprachanforderungen für den Ehegattennachzug unvereinbar!

 

Europäische Kommission schlägt Verhandlungsrichtlinien für den Beitritt der Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vor – Häufig gestellte Fragen

 

Was ist die EMRK?

In der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sind die Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert; sie gilt gemeinhin als das wichtigste Menschenrechtsinstrument in Europa. Die Konvention wurde von 47 Staaten unterzeichnet (darunter von allen 27 EU-Mitgliedstaaten, aber bisher nicht von der EU als solcher) und wird vom Europarat verwaltet. Sie ist ein völkerrechtlicher Vertrag, durch den die Regierungen für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden können. Missachtet ein Staat die in der Konvention verankerten Rechte, kann jeder, der der Gerichtsbarkeit einer der Vertragsparteien unterliegt, nach Ausschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Beschwerde gegen eine Vertragspartei führen.

Stellt das Straßburger Gericht die Verletzung von Rechten und Garantien aus der EMRK durch einen Mitgliedstaat fest, verkündet es ein entsprechendes Urteil. Entscheidungen des Straßburger Gerichts sind rechtsverbindlich und müssen von den betreffenden Staaten vollzogen werden. Im Schnitt gehen jährlich 30 000 Beschwerden ein (2009 waren es 57 000). Im Jahr 2009 verkündete das Gericht 2 000 Urteile.

Die EMRK wurde 1950 durch die Mitglieder des gerade erst gegründeten Europarats unterzeichnet und trat am 3. September 1953 in Kraft.

 

Wie funktioniert das Rechtsschutzsystem der EMRK nach dem Beitritt der EU?

Wenn die EU Vertragspartei der Konvention wird, kann der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte alle Rechtsakte der Organe und Einrichtungen der EU auf ihre Übereinstimmung mit der EMRK überprüfen. Dies würde bedeuten, dass jemand, der sich durch ein EU-Organ in seinen Rechten verletzt sieht, nach Ausschöpfung aller innerstaatlicher Rechtsbehelfe die Sache vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen kann. Das Straßburger Gericht wäre dann die letzte und höchste Instanz, um den Schutz der Grundrechte zu erwirken.

 

Was bedeutet der Beitritt der EU zur EMRK für die EU-Charta der Grundrechte?

Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags am 1. Dezember 2009 wurde die EU-Grundrechtecharta für die EU-Institutionen und für Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Umsetzung von EU-Recht rechtsverbindlich. Die Charta enthält sämtliche Rechte, die auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben sind, sowie sonstige Rechte und Grundsätze, die sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten, der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und sonstigen völkerrechtlichen Instrumenten herleiten. Mit inbegriffen sind auch sogenannte Grundrechte der „dritten Generation“ wie Datenschutz und Garantien in Bezug auf bioethische Grundsätze oder eine gute und transparente Verwaltung. Artikel 53 der Charta stellt klar, dass das Schutzniveau der Charta nicht unter dem der Konvention liegen darf.

 

Warum sollte die EU der EMRK beitreten?

Vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon konnte die EU die Konvention mangels Rechtspersönlichkeit nicht unterzeichnen, auch wenn alle 27 Mitgliedstaaten zu den Unterzeichnern gehören. Der Lissabon-Vertrag liefert jetzt mit Artikel 6 Absatz 2 EUV die Rechtsgrundlage für den Beitritt zur EMRK  („Die Union tritt (…) bei“).

Der Beitritt ergänzt das EU-Grundrechtsschutzsystem und hat daher für EU-Bürger und jede in der Union lebende Person hohe symbolische und praktische Bedeutung. Symbolische Bedeutung deshalb, weil die EU als Behörde durch den Beitritt ihr ganzes Handeln einer externen gerichtlichen Begutachtung und Kontrolle in punkto Menschenrechte unterwirft. Dadurch gewinnen das Menschenrechtssystem in Europa und die EU-Politik im Bereich der Außenbeziehungen an Glaubwürdigkeit.

Praktische Bedeutung deshalb, weil durch den Beitritt zur EMRK die Bürger, die sich in ihren Grundrechten verletzt sehen, über ein weiteres Rechtsmittel verfügen, um sich Recht zu verschaffen.

 

Wie sieht das Beitrittsverfahren aus?

Das Beitrittsabkommen erfordert gemäß Artikel 218 Absatz 8 AEUV einen einstimmigen Beschluss des Rates. Außerdem müssen alle 47 Vertragsparteien der EMRK dem Abkommen gemäß ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften zustimmen. Nach Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a Ziffer ii AEUV muss der Rat die Zustimmung des Europäischen Parlaments zum Abschluss des Beitrittsabkommens einholen. Artikel 218 Absatz 10 AEUV schreibt vor, dass das Europäische Parlament in jeder Phase der Verhandlungen umfassend informiert wird.

 

Hat der Beitritt Auswirkungen auf die Rechtsordnung der EU oder der Mitgliedstaaten?

Der Beitritt bewirkt keine Änderungen in der EU-Rechtsordnung. Die Stellung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Verhältnis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird vergleichbar sein mit der eines nationalen Verfassungsgerichts oder Obersten Gerichtshofs  Ein für die EU gewählter Richter brächte dem Straßburger Gericht zusätzliche Sachkenntnis in Bezug auf das EU-Rechtssystem. Dies würde der Einheitlichkeit der Rechtsprechung beider Gerichte zugute kommen und die Entwicklung eines Grundrechtsschutzsystems für ganz Europa erleichtern.

Ein Beitritt der EU hätte keinen Einfluss auf die Positionen von EU-Mitgliedstaaten als Vertragsparteien der EMRK oder auf die Zuständigkeiten der EU. Der EuGH wird weiterhin für Streitigkeiten zwischen EU-Mitgliedstaaten und/oder EU-Institutionen zuständig sein.

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