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Rechtsprechung Asylrecht und Ausländerrecht

In der Rechtssache Kaya ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 31753/02) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Erste Sektion) als Kammer mit Urteil vom 28. Juni 2007 eine unbefristete Ausweisung eines im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen türkischen Staatsangehörigen für mit Art. 8 EMRK verhältnismäßig erklärt. Damit ist die in der Literatur häufig erhobene Forderung, alle Ausweisungen müssten befristet werden, nicht weiter haltbar. Die Frage der Befristung der Ausweisung ist vielmehr – wie auch das BVerfG mit seinen Beschlüssen vom 10.6.2007 und 10.8.2007 hervorgehoben hat – eine Frage der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung.

Das Bundesverfassungsgericht (Kammer) hat am 10. August 2007 eine grundlegende Entscheidung zur Ausweisung von langjährig im Bundesgebiet lebenden Ausländern getroffen, die die Ausweisungspraxis nachhaltig verändern wird. Die Verfassungsbeschwerde betraf die Bedeutung des Rechts auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG für die generalpräventiv begründete Ausweisung eines Ausländers, der seit vielen Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt und nach seinem Vortrag keine tatsächliche Beziehung zu seinem Heimatstaat hat. Die Entscheidung führt letztlich dazu, dass alle Ausweisungstatbestände des Aufenthaltsgesetzes, unabhängig davon, ob es sich um Ist-, Regel- oder Ermessensausweisungen handelt unter den Grundsatz der Verhältnismäßigkeitsprüfung gestellt werden. Die zwingende Rechtsfolge, die der Gesetzgeber typisierend anordnet, wird damit unter den Vorbehalt einer verfassungsrechtlich vorgegebenen Einzelfallentscheidung gestellt.

Der Europäischer Gerichtshof hat am 20. September 2007 In der Rechtssache C-16/05 (Tum und Dari) eine weitere wichtige Grundsatzentscheidung zum Aufenthaltsrecht türkischer Staatsangehöriger getroffen.
Das Vorabentscheidungsersuchen betraf die Auslegung von Art. 41 Abs. 1 des am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichneten und mit der Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls (ABl. L 293, S. 1, im Folgenden: Zusatzprotokoll). Das Zusatzprotokoll, das nach seinem Art. 62 Bestandteil des Assoziierungsabkommens zwischen der EWG und der Türkei ist, enthält einen Titel II („Freizügigkeit und Dienstleistungsverkehr“), dessen Kapitel I „Arbeitskräfte“ und dessen Kapitel II „Niederlassungsrecht, Dienstleistungen und Verkehr“ betrifft. Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls lautet: „Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen.“

 

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gegenüber einem Asylbewerber ausgesprochene Androhung der Abschiebung in sein Heimatland aufzuheben ist, wenn nachträglich im gerichtlichen Verfahren ein Abschiebungsverbot wegen erheblicher konkreter Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - festgestellt wird. Damit hat der nunmehr für das Asylrecht zuständige 10. Senat eine seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahre 2005 umstrittene Frage geklärt.

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