Nachrichten Rechtsprechung

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 10. November 2009 (1 C 28.08) eine in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstrittene Frage zur Berechnung von Aufenthaltszeiten entschieden, wie sie für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis - hier aus humanitären Gründen nach § 26 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) - erforderlich sind.

Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis setzt nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG u.a. voraus, dass der Ausländer "seit sieben Jahren" - d.h. ununterbrochen - im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen ist. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist umstritten, ob eine Unterbrechung, insbesondere wenn sie nur kurzfristig ist, in Anwendung von § 85 AufenthG geheilt werden kann. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bis zu einem Jahr außer Betracht lassen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anwendbarkeit der Vorschrift in diesen Fällen bejaht.

Der Entscheidung liegt der Fall eines aus Eritrea stammenden Klägers zugrunde, der 1992 im Alter von zwölf Jahren ohne seine Eltern nach Deutschland eingereist war. Ihm war nach erfolglosem Asylverfahren im Jahre 2003 schließlich Abschiebungsschutz gewährt worden, weil ihm in Eritrea Gefahr für Leib und Leben drohe. Nachdem er im Anschluss daran zunächst Duldungen und eine Aufenthaltsbefugnis nach dem Ausländergesetz erhalten hatte, wurde ihm im März 2005 nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt. Im August 2005 beantragte er die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Dieses Begehren blieb vor dem Verwaltungsgericht und dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof ohne Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte das Vorliegen einer anrechenbaren siebenjährigen Aufenthaltszeit, weil der Kläger die Verlängerung seiner Aufenthaltsbefugnis im Dezember 2003 um vier Tage verspätet beantragt hatte. Die Unterbrechung könne nicht nach § 85 AufenthG geheilt werden, weil diese Vorschrift sich nur auf Unterbrechungen des rechtmäßigen Aufenthalts, nicht aber auf Unterbrechungen in Zeiten des Besitzes eines Aufenthaltstitels beziehe.

Dem ist der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts nicht gefolgt. Zwar ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass auch die Zeiten einer Duldung oder einer Aufenthaltsbefugnis vor dem 1. Januar 2005, die gemäß der Übergangsvorschrift in § 102 Abs. 2 AufenthG anzurechnen sind, nahtlos ineinander übergehen müssen. Es hat aber zu Unrecht eine Überbrückung von Unterbrechungszeiten nach § 85 AufenthG ausgeschlossen. Diese Vorschrift erfasst nach ihrem Sinn und Zweck auch Unterbrechungen des Besitzes von Aufenthaltstiteln und ermöglicht es der Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen Unterbrechungen bis zu einem Jahr außer Betracht zu lassen. Im vorliegenden Fall war angesichts der Bagatellunterbrechung von vier Tagen das behördliche Ermessen auf Null reduziert. Da der Kläger damit die erforderliche Aufenthaltszeit erfüllt hat, war das Verfahren zur Prüfung der weiteren Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.

Quelle: Presseerklärung des Bundesverwaltungsgerichts.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 10. Nvember 2009 (BVerwG 1 C 19.08) entschieden, dass grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen entsteht, nur weil ausreisepflichtige Ausländer nicht freiwillig ausreisen wollen und sich deshalb weigern, die Freiwilligkeit ihrer Ausreise gegenüber der konsularischen Vertretung ihres Heimatstaates zu bekunden.

Die Kläger sind iranische Staatsangehörige, die sich seit 1996 in Deutschland aufhalten. Sie haben erfolglos Asylverfahren betrieben und sind seit 2003 ausreisepflichtig. Die beklagte Ausländerbehörde bemüht sich seit Jahren, die Ausreisepflicht durchzusetzen. Hierzu hat sie die Kläger, die keine Reisedokumente besitzen, mehrfach zur Beschaffung von Passersatzpapieren angehalten. Die Kläger verweigern jegliche Mitwirkung, da die von der iranischen Auslandsvertretung geforderte "Freiwilligkeitserklärung" von ihnen nicht verlangt werden könne. Eine derartige Erklärung sei eine "Lüge", denn in Wahrheit wollten sie nicht ausreisen.

Die Kläger haben die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen beantragt, weil ihre Ausreise - wegen fehlender Reisedokumente - unmöglich sei. Die Ausländerbehörde hat die Anträge wegen der verweigerten Mitwirkung abgelehnt. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht wiesen die Klagen ab.

Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis kann nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt werden, wenn die Ausreise unmöglich ist, der Ausländer also weder zwangsweise abgeschoben werden noch freiwillig ausreisen kann. Sie darf allerdings nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Die gesetzliche Ausreisepflicht schließt die Verpflichtung für den Ausländer ein, sich auf seine Ausreise einzustellen und dazu bereit zu sein. In diesem Rahmen ist es für einen ausreisepflichtigen Ausländer grundsätzlich nicht unzumutbar, die von der Auslandsvertretung geforderte "Freiwilligkeitserklärung" abzugeben. Zwar kann ein Ausländer zur Abgabe dieser Erklärung nicht gezwungen werden. Gibt er sie nicht ab, trifft ihn allerdings ein Verschulden an der Unmöglichkeit seiner Ausreise, so dass die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis ausscheidet.

Auch nach der 2007 eingeführten Altfallregelung haben die Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Durch ihre Weigerung, trotz wiederholter Aufforderung durch die Ausländerbehörde an der Ausstellung von Passersatzpapieren mitzuwirken, haben sie behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich behindert (§ 104 a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG).

Quelle: Presseerklärung des Bundesverwaltungsgerichts

Kommentierung zur Haft im Asylverfahren

Die umfängliche Kommentierung gibt einen Überblick zu der wesentlichen Rechtsprechung zur Haft im Zusammenfang mit Asylverfahren.

BVerfG zur maximalen Dauer und Geeignetheit der polizeilichen Gewahrsamnahme

  1. Aus Art. 104 (2) GG folgt für den Staat die Verpflichtung, die Erreichbarkeit eines zuständigen Richters – jedenfalls zur Tageszeit – zu gewährleisten und ihm auch insoweit eine sachangemessene Wahrnehmung seiner richterlichen Aufgabe zu ermöglichen.

  2. Art. 104 (2) S. 3 GG setzt dem Festhalten einer Person ohne richterliche Entscheidung mit dem Ende des auf das Ergreifen folgenden Tages eine äußerste Grenze, befreit aber nicht von der Verpflichtung, eine solche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen.

  3. Zur Geeignetheit der Gewahrsamnahme als Instrument zur Verhinderung der Fortsetzung eines Dauerdeliktes wegen unerlaubten Aufenthaltes.

Die beigefügte Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts bringt in der Sache auf den ersten Blick nicht viele neue Erkenntnisse. Der geübte Leser mag sogar der Auffassung sein, es handele sich um eines der üblichen Beschlüsse zum Gebot der unverzüglichen Herbeiführung der richterlichen Entscheidung. Genau - und darin liegt offenkundig das Problem:

„Schon wieder hat das Bundesverfassungsgericht die Niedersächsische Praxis bei Freiheitsentziehungen (auch diesmal im Vorfeld von Abschiebungshaft gerügt). Damit ist innerhalb von 2 Jahren Niedersachsen zum mittlerweile 9. Mal vom höchsten deutschen Gericht kritisiert worden. Dies ist bundesweit einmalig.“, so RA Peter Fahlbusch aus Hannover. Holger Winkelmann geht in der Kommentierung auf die Geeignetheit der Gewahrsamnahme zur Verhinderung der Fortsetzung eines strafbaren unerlaubten Aufenthaltes ein.

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